Schlupflöcher für Mutanten
Je genauer die neuen Virus-Varianten untersucht werden, um so mehr wachsen die Bedenken: Sollten sie etwa die Immunabwehr unterlaufen können? Eine neue Studie deckt schwächelnde Antikörper nach mRNA-Impfungen auf.
Die Sorge um die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe im Fall einer weiteren Ausbreitung von Sars-CoV-2-Varianten verdichtet sich. Experten wie der Scripps-Forscher Eric Topol freuten sich schon über die mit den Impfstoffen erreichbare „Superman“-Immunität. Doch seitdem einige Mutationen in neu entstehenden Varianten des Sars-CoV-2-Erregers systematisch untersucht werden, wachsen die Bedenken.
Die in der „britischen“ Variante enthaltene Mutation N501Y, die den Impfstoffexperten Kopfzerbrechen bereitet hatte, ist auch in der südafrikanischen Linie B.1.135 enthalten. Südafrikanische Immunologen um Kurt Wibmer vom National Health Laboratory Service in Johannesburg hatten deshalb eigene Tests vorgenommen. In einer noch nicht offiziell begutachteten Preprint-Publikation kamen sie zu dem Ergebnis: Nur eine gedämpfte Immunantwort auf die neue Variante!
Kristian Andersen, ein anderer Corona-Experte vom kalifornischen Scripps-Institut, gab darüberhinaus zu bedenken, dass sich Wibmer und sein Team nur auf eine Mutation konzentriert hatten. Dabei könne man auch andere, in der „südafrikanischen“ Variante enthaltene Mutationen außerhalb des Spike-Proteins finden, die mutmaßlich „Fluchtmutationen“ sind und die Immunantwort ungünstig beeinflussen.
Inzwischen gibt es weitere wissenschaftliche Ergebnisse, die sich mit einer anderen Mutation – E484K – im sensiblen Bereich des Spike-Proteins befassen. Diese Erbänderung ist zwar nicht in der „britischen“ Variante zu finden, aber sowohl in der „südafrikanischen“ als auch in der in Brasilien aufgetauchten P1-Variante. Berichte über Reinfektionen bei Patienten aus der Regenwaldmetropole Manaus tauchten auf, die auf die schnelle Ausbreitung der P1-Mutante dort zurückgeführt wurden.
Endgültige Klarheit gibt es nicht. In einigen kleineren, vorläufigen Publikationen verdichten sich aber die Hinweise darauf, dass die E484K-Mutation tatsächlich eine entscheidende Erkennungsstelle auf dem Spike-Protein des Virus verändert und es den gegen das „alte“ Sars-CoV-2 gerichteten Antikörpern und T-Zellen schwermacht, die Viruspartikel zu attackieren.
Die Zweifel wachsen, und sie werden noch weiter geschürt.
Etwa durch eine Veröffentlichung von Immunologen der Rockefeller University in New York auf dem Preprint-Server „bioRxiv“. Die Forschergruppe hat sich in Laborexperimenten die Aktivität einer Reihe ausgewählter besonders effektiven Antikörpern angesehen, deren Bildung durch die mRNA-Impfung hervorgerufen wird und die man bei den Impflingen etwa zwei Monate nach der zweiten Impfdosis „ernten“ konnte.
Erstmals hat man also entscheidende Waffen der Immunantwort auf ihre Wirksamkeit gegen unterschiedlich mutierte Viren unter kontrollierten Bedingungen in der Petrischale geprüft.
Das Ergebnis lautete: „Die Aktivität gegen Sars-CoV-2-Varianten war geringfügig, aber dennoch signifikant reduziert.“ Das bedeutet, dass 14 von 17 der effizientesten Antikörper nicht mehr oder schlechter gegen die Virusvarianten wirken. Die untersuchten Erreger waren mit einer Kombination von Mutationen – E484K / N501Y / K417N – ausgestattet, die zumindest in der „südafrikanischen“ Variante zu finden ist.
Argumente dafür, sich auf das Abenteuer der hektisch auf den Markt geworfenen Impfstoffe einzulassen, sind das sicher nicht.
Und welches Vertrauen können Regierungen einfordern, die ihren Bürgern empfehlen, “Russisch Roulette” zu spielen?