Der Siemens-Chef Joe Kaeser sieht die neuen Finanzhilfen für Griechenland als Einstieg in eine Transferunion. Bei den aktuellen Verhandlungen sei es letztlich um die Frage gegangen, ob Europa es schaffe,
„ein Land, das über Jahrzehnte hinweg seine Wettbewerbsfähigkeit verloren hat, weiterhin zu integrieren und damit letztlich den Beginn einer Transferunion zu konstituieren“,
sagte Kaeser der „Passauer Neuen Presse“ (15. August 2015). An einer Transferunion führe nichts vorbei,
„wenn man den Anspruch hat, ein wirtschaftspolitisches Europa mit einheitlicher Währung zu formen“.
Wir denken, diese Aussage ist richtig.
Wir wollen an dieser Stelle nicht der Frage nachgehen, ob letztendlich eine Transferunion positiv oder negativ ist.
Entscheidend für uns ist an dieser Stelle, dass die Poilitik in Deutschland ihre Bürger jahrelang belogen hat.
- Es ist den Menschen verheimlicht worden, dass die Aufgabe der Deutschen Mark zugunsten des Euro der Preis dafür war, dass sich Deutschland wiedervereinigen durfte. Ohne Deutschland im Euro gäbe es noch das unabhängige Neufünfland.
- Dann wurde den Wählern versprochen, Deutschland würde nie für Verbindlichkeiten anderer Euro-Länder haften bzw. etwas zahlen müssen.
Da ist nun das Rad der Geschichte drüber hinweggerollt. So wie Baden-Württemberger und Bayern wie Hessen für Bremer, Schleswig-Holsteiner und Saarländer zahlen, so zahlen in Euroland nun Deusche, Holländer und Finnen für Griechen, Portugiesen und Italiener.
War das wirklich nicht absehbar? Warum die Lügerei?
Kommen wir wieder zurück auf den Siemens Chef.
Griechenland habe „keine reale Chance“, aus eigener Kraft wieder auf die Beine zu kommen, sagte Kaeser. Das Land sei daher auf längere Zeit auf Transferzahlungen angewiesen.
So ist es. Und das wissen alle.
Deutschland würde als europäische Wirtschaftsmacht Nummer 1 von der Währungsunion am meisten profitieren.
„Und wer am meisten profitiert, sollte auch den größten Beitrag leisten“,
sagte Kaeser. Damit spricht er allen anderen Mitgliedsländern der Euro-Zone aus dem Herzen.
Deutschland macht nun mit beim dritten Hilfspaket an Griechenland, obwohl der IWF nicht im Boot ist. Das war immer
“unabdingbare Voraussetzung einer jeden Hilfe für Griechenland”.
Ob der IWF noch an Bord kommt, ist in Wirklichkeit unsicher. Und eigentlich sollte man das gar nicht wollen.
Der IWF ist nur ein verlägerter Arm der USA. In Europa sollten die Europäer allein entscheiden. An dieser Stelle stellt sich letztlich die Frage, ob Deutschland seinerseits nichts weiter ist als ein verlängerter Arm der USA, Angela Merkel also das “Mietmaul” von Obama. Wenn man den Eiertanz der deutschen Regierung in Sachen des NSA Skandals sieht, ihre Verweigerung jeglicher Hilfe an eine Person wie Edward Snowden, dem wir alle zu Dank verpflichtet sind, dann wird diese Vermutung zur hohen Wahrscheinlichkeit. Es ist im Ergebnis nur die deutsche Regierung, die anstrebt, dass die USA weiter in Europa reinquasseln.
Nun haben Merkel & Co schlicht verpennt, dass sie mit ihrem vorauseilendem Gehorsam über das Ziel hinausgeschossen sind. Der IWF und die USA haben Probleme, ein Engagement für Griechenland etwa den Lateinamerikanern zu verkaufen. Die könnten sich schliesslich ab nächstem Jahr verstärkt den neuen Finanzinstitutionen zuwenden, die von China initiiert worden sind und dem IWF ein Bye, bye zurufen.
Aber ein nettes Ei hat Frau Lagarde Deutschland noch ins Nest gelegt.
Sie hat die Forderung des griechischen Ex-Finanzministers Yannis Varoufakis und Alexis Tsipras anerkannt, einen Schuldenschnitt durchzuführen. War das nicht das Hauptziel der neuen griechischen Regierung?
Frau Lagarde erklärt für den IWF unmissverständlich, die Europäer müssten die Griechen beim Schuldendienst deutlich entlasten.
„Ich bleibe fest der Ansicht, dass Griechenlands Schulden nicht tragfähig sind, und dass Griechenland seine Schuldentragfähigkeit nicht allein durch eigene Reformen wiederherstellen kann“,
heißt es in Lagardes Mitteilung, die in der Nacht zum 15. August 2015 veröffentlicht wurde. Und weiter: Die Europäer müssten
„konkrete Zugeständnisse für eine deutliche Schuldenerleichterung machen, größere als bisher erwogen worden sind“.
Erst dann werde der IWF
„erwägen“,
sich finanziell am 86-Milliarden-Euro schweren Paket zu beteiligen.
Der IWF ist nach Lage der Dinge nicht im Boot.
Allenfalls wird noch diskutiert werden, was aus der alten Zusage des IWF im Rahmen des nun ausgelaufenen sog. “zweiten Hilfspaketes” für Griechenland wird. 16 Milliarden Euro waren nämlich gar nicht mehr zur Auszahlung gekommen. Allenfalls geht es nun darum, ob dieser Betrag in das neue Paket einfliesst. “Beteiligung des IWF” sieht anders aus, das wäre erneut eine Schmierenkomödie, wenn es denn dazu überhaupt käme…
Fakt ist: Der Schuldenschnitt für Griechenland kommt. Sonst macht der IWF von vornherein nicht bei der Schmierenkomödie mit den Altgeldern mit und hätte nichts mehr zu “erwägen”.
Bis Oktober müssen die Euro-Finanzminister nun entscheiden, wie stark sie Griechenlands Schuldendienst in die ferne Zukunft strecken.
Nun darf der Schuldenschnitt nicht “Schuldenschnitt” heissen.
Im Prinzip wird die Lösung so aussehen.
- Die Rückzahlung der Schulden muss erst am Sankt Nimmerleinstag aufgenommen werden.
- Zinszahlungen müssen erst erfolgen ab dem ersten Schaltjahr vor dem Sankt Nimmerleinstag.
- Zusammen mit der Aufnahme der Zinszahlungen wird der Sankt Nimmerleinstag um drei Jahrzehnte verschoben, sollte nicht bis zum Jahr 2025 Panathinaikos Athen dreimal und ununterbrochen hintereinander die Fussball Champions League gewonnen haben.
Aber nein, das ist natürlich kein Schuldenschnitt, denn Griechenland wird nicht endgültig aus seiner Verpflichtung entlassen. Die Verbindlichkeiten stehen unverbrüchlich und dauerhaft im Schuldenbuch. In ferner Zukunft werden Althistoriker darüber streiten, ob die “Ilias” von Homer wirklich älter wäre als das griechische Schuldenbuch der Euro Zone.
Endergebnis des Spieles Eurozone vs. Ex-Europameister Griechenland:
- 0 : 1 für Griechenland
- Torschütze: Alexis Tsipras auf Zuspiel von Giannis Varoufakis
- Geschlagener Torhüter der Eurozone: Der Steuerzahler
- Platzverweise: Finanzminister Schäuble sowie das Bundesverfassungsgericht und die verbotene Staatsfinanzierung
- Besondere Vorkommnisse: Angela Merkel wird wieder Bundeskanzlerin
Epilog – επίλογος
Nur zwei Tage nach Veröffentlichung des vorstehenden Beitrages erreichte den Autor des Beitrages das montägliche “Morning Briefing” des Handelsblattes von Gabor Steingart. Darin schreibt Steingart:
“Die Finanzminister der Euro-Zone haben sich auf ein drittes Kreditpaket für Griechenland in Höhe von knapp 90 Milliarden Euro geeinigt. Die deutsche Haftung für die griechischen Staatsschulden steigt damit auf insgesamt 110 Milliarden Euro – deutlich mehr als der Bund 2015 für Landesverteidigung, Gesundheit, Straßenbau, Landwirtschaft, Forschung und Bildung ausgeben wird.”
Anmerkungen von Gabor Steingart dazu:
¨Erstens: Angela Merkel hat uns nicht belogen, nur betuppt. „Ein klassischer Haircut kommt nicht infrage“, sagte sie kürzlich mit Blick auf die Griechenland-Rettung. Die Betonung lag, wie wir jetzt wissen, auf dem Wort „klassisch“. Denn das, was die Gläubiger den Griechen nach Informationen unserer heutigen Titelgeschichte anbieten, ist ein Schuldenschnitt „light“. Formal werden keine Schulden gestrichen, aber die Rückzahlung des neuen Milliardenkredits soll auf 60 Jahre gestreckt werden. Demnach würde keiner der Abgeordneten, der dafür am Mittwoch seinen Finger hebt, die Rückzahlung erleben. Angela Merkel beispielsweise wäre im Jahr der letzten Rate 121 Jahre alt. Unsere Kanzlerin weiß, wie man Verantwortung und Macht entkoppelt.
Anmerkung zwei: Es soll hier nicht gegen die Idee vom Helfen gesprochen werden. Es geht nur um die durch kein Kanzler-Dekret außer Kraft zu setzende Tatsache, dass man Kreditsucht nicht mit Kredit heilen kann. Griechenland bräuchte anstelle der ewigen Fiskalpolitik – die am Ende doch nur im Ausreichen immer neuer Schecks besteht – eine aktive Wirtschaftspolitik wie sie Deng Xiaoping dem heruntergewirtschafteten China und Helmut Kohl der abgehalfterten DDR haben zukommen lassen. Konkret: Sonderwirtschaftszonen, Niedrigsteuern, Infrastrukturprogramme, flexible Arbeitsmärkte – und dann private Investitionen. Doch damit hat die herrschende Regierungspolitik erkennbar nichts am Hut. Der Vorwurf an Merkel lautet also nicht, dass sie hilft, sondern dass ihre Hilfe nicht wirkt. Der Rettungsring, den sie den Griechen reicht, ist aus Blei.”
Und nun zu der Meldung selbst:
Bisher müsste Griechenland 2023 mit der Tilgung der europäischen Hilfskredite beginnen und sie 2054 abschließen.
Nun wird erwogen, die letzte Zahlung extrem weit nach hinten zu schieben. Bei einer durchschnittlich 60-jährigen Laufzeit ist es wahrscheinlich, dass die letzte Rate 2075 bezahlt wird.
Auch bei den Zinsen wird über Erleichterungen gesprochen. Bisher ist geplant, das Land zehn Jahre von allen Zinszahlungen zu befreien. Diese Frist könne verlängert werden, hieß es in Brüssel.
Auf unsere Idee, Panathinaikos Athen in das Regelwerk aufzunehmen, sind sie in Brüssel aber anscheinend noch nicht gekommen.
Kann ja noch werden.