Eigentlich sollte das System genau so harmlos sein, wie es klingt. Es sollte dazu dienen, die Zahlungsforderungen zwischen den Notenbanken abzuwickeln, die bei jeder grenzüberschreitenden Überweisung im Euro-Raum entstehen. Solange die Wirtschaft im Gleichgewicht ist und Waren und Geld in alle Richtungen hin und her fließen, gleichen sich die Salden dabei immer wieder aus. Selbst wenn ein Land mal mehr Güter importiert als exportiert, finanziert es diese Lücke in der Regel durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland. Auch dann sind die Target-Salden bei oder nahe null – so wie es bis Anfang 2007 der Fall war.
In einer Finanzkrise können Ungleichgewichte aber zur Katastrophe führen, weil die Geldflüsse zwischen den Banken plötzlich stocken. So geschah es seit 2007:
- Die Banken in allen Euro-Staaten mussten ihr Geld zusammenhalten. Sie zogen sich aus vermeintlich unsicheren Ländern zurück. Auslaufende Kredite wurden nicht mehr verlängert.
- Hinzu kam die Angst der Reichen: Aus Sorge, ihr Geld könnte bald nichts mehr wert sein, schafften sie es erst aus Griechenland, Irland und Portugal heraus, später auch aus Spanien und Italien. Den Banken dort blieben weniger Spareinlagen, die sie als Kredite weiterreichen konnten.
- All das führte dazu, dass in Griechenland und den anderen Krisenländern nicht mehr genügend Geld da war, um all die Importe zu finanzieren. Wollten griechische Banken weiter Kredite vergeben, um den Kauf zum Beispiel deutscher oder holländischer Produkte zu bezahlen, mussten sie es sich bei ihrer Zentralbank leihen.
- Die Zentralbank wiederum schöpft das Geld einfach aus dem Nichts – und stellt es dem gesamten Euro-System als Target-Forderung in Rechnung. "Diese Länder ziehen das Geld einfach aus der Druckerpresse", schimpft Sinn.
Selbst die Europäische Zentralbank bestätigt Sinns Analyse mittlerweile im Grundsatz.