Zu den besonders ernüchternden Ergebnisse zählt dabei, dass das einst arme und krisengeschüttelte Spanien bereits im Jahr 2008 beim Pro-Kopf-Einkommen an Deutschland vorbeiziehen könnte. Und selbst Italien mit seinem rückständigen Mezzogiorno würde der Studie zufolge 2014 an Deutschland vorbeiziehen.
Im Jahr 2020 wären dann nur noch Griechenland und Portugal bei der Wertschöpfung pro Kopf schwächer, heißt es in der Studie.
Ganz so schlimm muss es natürlich nicht kommen: Prognosen, wie die der Deutsche Bank Research, unterliegen in entscheidender Weise den zu Grunde liegenden Annahmen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist also Vorsicht geboten, denn häufig können schon leichte Veränderungen der Hypothesen zu deutlich abweichenden Ergebnissen führen. Aber vergleichbare Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen:
Eurostat-Daten
Doch auch eine Betrachtung der gegenwärtigen Lage bietet ausreichend Stoff für Ernüchterung. Nach den Daten von Eurostat, dem statistischen Informationsdienst der EU-Kommission, liegt Deutschland beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf derzeit auf dem elften Rang der alten EU-15-Staaten.
Um den Wohlstandsgrad international vergleichbar zu machen, wenden Eurostat und DB Research die selbe Methode an: Sie bilden so genannte Kaufkraftparitäten, die gewissermaßen eine einheitliche Währung darstellen. Mit ihrer Hilfe wird das Pro-Kopf-Einkommen in Ländern mit hohem und niedrigem Preisniveau vergleichbar.
Position elf
Die methodisch also vergleichbaren Eurostat-Zahlen bestätigen so im Wesentlichen das Ranking, das DB Research für das Jahr 2005 aufgestellt hat. Denn auch bei DB Research rangiert Deutschland derzeit auf Position elf, während Luxemburg und Irland wie auch bei Eurostat die Spitzenpositionen einnehmen. Leichtere Abweichungen gibt es bei Österreich und den Niederlanden. Die Alpenrepublik wird von DB Research auf Rang drei und bei Eurostat auf Rang fünf gesehen. Die Niederlande sehen die Forscher von Eurostat hingegen auf Rang drei und die DB-Research-Experten auf Position sieben.
Wachstumsstrategie fehlt
Dieser relative Abstieg Deutschlands aus den Top-Positionen ins hintere Mittelfeld ist natürlich auch Sonderentwicklungen wie die Wiedervereinigung geschuldet: Die neuen Länder zählen zu den ärmsten Regionen Europas und drücken den gesamtdeutschen Schnitt beim Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens erheblich. Doch als Entschuldigung reicht die Wiedervereinigung nicht aus. Denn wie die DB-Research-Experten ausführen, wiegt weit schwerer, dass es Deutschland über lange Jahre versäumt hat, "sich Gedanken über die eigene Zukunft zu machen und eine konsequente Wachstumsstrategie zu verfolgen."
"Andere Staaten sind da viel weiter", sagte Stefan Bergheim, Ökonom bei Deutsche Bank Research und einer der Autoren der langfristigen Wachstumsstudie.
Als Beispiele zählt er in Europa Spanien, Schweden und Österreich auf.
- So habe Spanien den Arbeitsmarkt deutlich flexibilisiert und die Quote seiner Hochschulabsolventen dramatisch erhöht.
- Schweden schaffe es wie kaum ein anderes Land, sein Arbeitskräftepotenzial durch alle Schichten zu nutzen: 70 Prozent der über 55jährigen hätten in dem skandinavischen Land einen Arbeitsplatz, während es in Deutschland gerade mal halb so viele seien. Berufstätige Frauen hätten nach der Babypause kein Problem mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
- Österreich habe hingegen sehr erfolgreich seine Unternehmenssteuern gesenkt. Dadurch biete das Land neben klassisch deutschen Tugenden wie Stabilität, Sicherheit und zentraler Lage einen weiteren wichtigen Schlüsselfaktor.
Wichtiges Humankapital
„Der wichtigste Antriebsmotor für das Pro-Kopf-Einkommen sind nicht etwa Investitionen oder die demographische Entwicklung, sondern das Humankapital eines Landes“, sagte Bergheim weiter.
Das Ergebnis der Studie dürfte bei manchem Deutschen Unverständnis auslösen. Zwar stellt die Krise des Standorts nun schon seit einigen Jahren eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen dar. Doch Marken wie Mercedes, Siemens oder Adidas stärken das kollektive Bewusstsein in punkto Wirtschaftskraft noch immer.