Besonnene Banker in der Schweiz stellen sich schon darauf ein, daß man den Diskretionsschutz in der heutigen Form kaum wird bewahren können,
und er ist im internationalen Vergleich auch nur noch zweitrangig:
Andere Finanzplätze kennen längst striktere Schutzbestimmungen als die Schweiz,
so Singapur (auch “Genf des Ostens” genannt), Dubai, die britischen Kanalinseln oder Panamá (auch “Schweiz Mittelamerikas” genannt) wo man diskret Trusts bzw. Stiftungen und Kapitalgesellschaften gründen darf.
Es sind spezialisierte Staaten, die sich Schutzbestimmungen erlauben können, welche ein von unmittelbaren Nachbarstaaten abhängiger Dienstleistungs- und Industriestaat im Herzen Europas wie die Schweiz sich eben nicht mehr leisten kann.
Primär die EU – angeführt vom Steuerpolizeistaat Deutschland und von Frankreich – kann Druckmittel auffahren, denen der kleine Staat Schweiz – allseits EU-umschlungen (sieht man von Liechtenstein ab) – wenig entgegenzusetzen hat. Durch dieses Ungleichgewicht wurde das Bankgeheimnis schon in der Vergangenheit ebenso stetig geschwächt wie andere Eigenheiten des Schweizer Finanzplatzes:
- Das Nummernkonto, jahrzehntelang berühmtestes Produkt des helvetischen Bankgewerbes, wurde 1990 de facto abgeschafft. Zwar existiert es heute noch, doch sind die Banken verpflichtet, den Inhaber und die für das Konto wirtschaftlich berechtigten Personen zu identifizieren.
- Beendet wurde ferner die Diskretion für Geldwäscher oder Drittwelt-Diktatoren – dies geschah 1983 mit dem Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe.
- Und bei Strafuntersuchungen wird das Bankgeheimnis ebenfalls aufgehoben, so auch beim Verdacht auf Steuerbetrug.
Für amerikanische und europäische Kunden baute die Schweiz ihre Sicherungszäune aber noch weiter ab: Zum Beispiel sieht das Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA seit 2001 eine Amtshilfe vor – auch bei Steuerbetrug und “ähnlich gelagerten Steuerdelikten” (wozu auch gewisse Fälle von Hinterziehung gehören können). Obendrein müssen die Geldinstitute den US-Behörden amerikanische Bürger melden, welche ein Konto in der Schweiz besitzen.
Daneben haben es die Vereinigten Staaten geschafft, das Bankgeheimnis mit der Macht ihres Marktes zu unterlaufen: Will eine Bank im amerikanischen Markt tätig sein, benötigt sie den Status eines “Qualified Intermediary” für das Finanzministerium in Washington; und diese qualifizierten Vermittler wiederum sind verpflichtet, ihre Kunden mit US-Wertpapieren zu melden und die Quellensteuer für den amerikanischen Fiskus einzuziehen. Kurz: Die Banken der Schweiz wurden dazu verdonnert, auf eigene Kosten den Steuereintreiber zu spielen und detaillierte Informationen über ihre amerikanischen Kunden nachzureichen.
Ein ähnlicher Abführ-Trick wird seit Juli 2005 auch gegen Steuerflüchtlinge aus dem EU-Raum eingesetzt. Nach dem Zinsbesteuerungsabkommen, das die Bundesräte Deiss und Calmy-Rey im Oktober 2004 unterschrieben, kassiert die Schweiz eine Steuer auf die Erträge von europäischen Kontobesitzern. Die Quellensteuer – sie beträgt derzeit 15% und soll bis 2011 auf 35% steigen – wird danach an die jeweiligen Mitgliedstaaten der EU überwiesen. Das Verfahren hat den Vorteil, daß die Schweiz die Bankkunden nicht namentlich nennen muß. Und so hofften die Schweizer Unterhändler 2004, mit dem Zinsabkommen das Bankgeheimnis gerettet, ja sogar es staatsvertraglich festgeschrieben zu haben. Mit dem Vertrag “haben wir das Bankgeheimnis mindestens für die nächsten 15 Jahre betoniert”, frohlockte damals der Präsident der Bankiervereinigung, Pierre Mirabaud.
Das war eine Illusion. Nicht einmal drei Jahre nach Einführung der Zinsregeln wettern deutsche Spitzenpolitiker gegen die Schweizer “”Steuerfluchtburg” wie eh und je, und seit März 2008 ist die Zinsbesteuerung bereits wieder Thema im Finanzministerrat der EU. Denn die Hintertür hat eben auch Löcher. Erstens erfaßt die mit Brüssel ausgehandelte Steuer bloß Zinserträge, doch keine Dividenden; obendrein gilt das Zinsabkommen nur für natürliche Personen. Und zweitens sind unterschiedliche Abmachungen mit verschiedenen Ländern keine längerfristige Perspektive.
Ein US-Bürger, der amerikanische Wertschriften hält, wird von der Bank dem Steueramt in der Heimat gemeldet. Und dies, so Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, “sollte auch bei uns möglich sein” – ein Wunsch, den sie zusammen mit ihren EU-Partnern der benachbarten gemeinschaftsumschlungenen Schweiz mit Macht um die Ohren schlagen wird.
Daß die Schweiz schön brav und musterhaft vorgeht gegen Geldwäscher, ja sogar Steuerbetrüger, ändert wenig an ihrer Rolle als schlechtes Beispiel. Die Debatte spiegelt eben auch europäische Machtverhältnisse wider:
- So kann man in England – anders als in der Schweiz – mit ein paar Juristentricks immer noch ein Bankkonto ohne Kundenidentifikation eröffnen;
- Oder in Italien werden Finanzprodukte angeboten, die rechtlich so gestaltet sind, daß der Name nicht preisgegeben werden muß;
- selbst in Europa ist die Schweiz insoweit nicht mehr “Number One”.
Außerdem sind nicht einmal die Reihen innerhalb der Schweizer Banken geschlossen in Sachen Bankgeheimnis: Während klassische Privatbanken wie Pictet, Lombard Odier Darier Hentsch oder Sarasin kompromißlos zum Bankgeheimnis stehen, manövrieren die Grossbanken UBS und Credit Suisse auf heiklem Terrain – aus mehreren Gründen. Denn sie sind überall auf der Welt auf gute politische Beziehungen angewiesen; ein allzu forsches Eintreten fürs Bankgeheimnis, für das man nicht allenorts viel Verständnis hat, könnte ihre guten politischen Kontakte stören.
- In Panamá gibt es viele Banken, die sich ihre Unabhängigkeit bewahrt haben.
- Uns ist kein strengeres Bankgeheimnis bekannt als das Panamás.
Kuriositäten am anderen Ende der Welt.