Rechtsanwälte im Exil

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Ausgewandert aus Deutschland

Von der anwaltlichen Verschwiegenheit zur Verpflichtung, seine eigenen Mandanten zu denunzieren

Nachfolgend lesen Sie einen unserer ältesten Beiträge. Die Internetkanzlei existiert im Netz bereits seit 2001 – eine stolze Zeit, wie wir meinen.

Dieser alte Beitrag erklärt, warum unsere Arbeit zum Schutz der Privatsphäre unserer Mandanten, nicht zuletzt hinsichtlich ihres Vermögens, besser: des Schutzes des Vermögens vor willkürlichem staatlichen Zugriff, innerhalb der deutschen Grenzen und innerhalb der Europäischen Union keine Zukunft mehr hatte und auch in Zukunft nicht haben kann.

Wir lassen uns nämlich nicht dazu zwingen, unsere Mandanten zu denunzieren.

Der Überblick über die Radikalisierung der einschlägigen Gesetzgebung in Deutschland ist aktuell wie eh und je. Die Tendenz geht leider weiter in die falsche Richtung.

Wir bleiben im Exil

Nachfolgend unsere Abhandlung, die in Fachkreisen viel Beachtung gefunden hatte und auch schon Gegenstand juristischer Seminararbeiten war. Wir empfehlen diesen Beitrag Ihrer besonderen Beachtung:

Anfang 2008 war einmal mehr ein neues Gesetz in Kraft getreten, das dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten Hohn spricht. Es kam aus dem Haus der vormaligen Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und setzte eine EU-Richtlinie um.

Natürlich ging und geht das Gesetz wieder einmal über die Anforderungen, die die EU-Richtlinie aufstellte, hinaus. Unrühmliche deutsche Gründlichkeit bei der Abschaffung von Freiheitsrechten mussten wir feststellen, die noch vor wenigen Jahren als unantastbar galten.

Zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität speichern Telekommunikationsunternehmen seit Anfang 2008 alle Telefon- und Internetverbindungsdaten sechs Monate lang. Auch für Faxe, SMS und E-Mails gelten die neuen Regeln. In diesem Zeitraum können Polizei, Staatsanwaltschaft, Bundesnachrichtendienst, Bundesverfassungsschutz und militärischer Abschirmdienst auf den Datenbestand zugreifen, ohne daß ein Verdacht auf eine schwere Straftat erforderlich ist.

Hinzu tritt eine Regelung, dergemäß Ärzte, Anwälte, Steuerberater und Journalisten künftig mit Abhörmaßnahmen rechnen müssen und verpflichtet sind, über ihnen anvertraute Tatsachen grundsätzlich Auskunft zu geben. Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete können sich dagegen weiter auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Wohlgemerkt:

nur der „Strafverteidiger“ – aber nicht der in Zivilsachen arbeitende Rechtsanwalt und insbesondere nicht der Fachanwalt für Steuerrecht.

 

Für den Rechtsanwalt wird Deutschland immer unerträglicher.

 

Schon seit Jahren war es schlimm. Wir wußten, es kommt noch schlimmer. Und wir sind leider noch lange nicht am Ende.

 

Aber wir sind nicht mehr mit von dieser schändlichen Partie.

 

Seit 2001 bereits arbeiten die Internetkanzlei und ihre Juristen vom sicheren Ausland aus.

Panamá statt München, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, Heidelberg, Hannover, Leipzig und Berlin.

Wehe, der Rechtsanwalt in Deutschland weiß, daß das Finanzamt von seinem Mandanten eigentlich Euro 84.396,00 an Steuern kriegen müßte wegen im Ausland verdienter Guthabenzinsen oder Mieteinnahmen in den letzten Jahren. Dies ist nämlich nach neuer Rechtslage so etwas ähnliches wie Terrorismus, auf jeden Fall ist das „Geldwäsche“. Bei einem derart „spektakulärem Verbrechen“, offenbar viel schlimmer als heimtückischer Mord und sexuelle Mißhandlung von Kleinkindern, mußte das Schweigerecht des Anwaltes in Deutschland weichen und abgeändert werden in eine Pflicht zur Anzeige des eigenen Mandanten. Damit noch ein klein wenig an die historische Schweigepflicht erinnert, darf der Anwalt von dieser Anzeige seinem Mandanten (!) allerdings nichts verraten – eine rührende Reminiszenz! Das Institut der „Schweigepflicht“ umgedreht, nun muss der Anwalt gegenüber seinem Mandanten schweigen. Das ist Zynismus in Reinkultur.

Und das ist gegen unsere Berufsauffassung. Wir wollen weiter diskret arbeiten dürfen.

In Panamá können wir das, deshalb sind wir nun schon einige Jahre hier.

Aber was ist eigentlich konkret passiert in Deutschland, daß wir Exil nehmen mußten?

Es handelt sich um einen der ältesten Berufe der Menschheitsgeschichte, der Beruf – für viele die Berufung – des Rechtsanwalts.

Zugegeben: Vergleichbar alte Berufe sind nicht nur der Priester und der Arzt (Medizinmann), auch die Prostituierte gehört dazu.

Ist es jedoch ein Zufall, daß alle diese klassischen uralten Berufe, die nicht zuletzt den jeweiligen kulturellen Entwicklungsstand von menschlichen Gemeinwesen/Staaten einer bestimmten Periode – in den unterschiedlichsten Regionen unserer Erde – widerspiegeln, alle etwas mit Diskretion zu tun haben?

Sicher nicht.

Wem immer ein Mensch sich anvertraut, ob intim, mit seinen Krankheiten, seelischen Qualen oder Problemen in Bezug auf die Gemeinschaft der Mitmenschen, stets tut er dies mit der notwendigen Intensität nur dann, wenn er darauf vertrauen darf, daß Vertraulichkeit gewahrt bleibt.

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Die Schweigepflicht des Anwalts war mithin nicht nur im Gesetz festgeschrieben, sie ist quasi ein Naturgesetz. Sie ist damit auch Bedingung der anwaltlichen Tätigkeit insgesamt.

Wer die Schweigepflicht – zumindest das Recht zum Schweigen – des Rechtsanwalts angreift, stellt damit den gesamten Berufsstand in seinen Grundfesten in Frage. Die Verpflichtung zum Schweigen des Rechtsanwaltes schien folglich nicht nur unantastbar zu sein. Den Menschen aller sozialen Schichtungen in eigentlich sämtlichen Ländern unseres Planeten ist es auch völlig selbstverständlich, sie sind es gewohnt, daß der Rechtsanwalt, der beispielsweise als Verteidiger von seinem Mandanten weiß, daß dieser „heimtückisch einen Mord begangen“ oder „in ekelerregender Weise sich an einem Kind sexuell vergangen“ hat, dieses positive Wissen zwingend für sich behalten muß. Allenfalls darf der Anwalt das Mandat niederlegen, aber „schweigend“.

Dies ist die selbstverständliche Rolle des Rechtsanwalts. Jeder Mensch muß wissen:

„Egal was ich sage, mein Anwalt schweigt.“

Dies gilt nicht nur im Strafrecht, dies gilt generell im modernen Staat der Industriegesellschaft (um den Heidelberger Staatsrechtler Ernst Forsthoff zu bemühen) und auch bei Auseinandersetzungen mit einer Verwaltung bzw. im Zivilrecht.

  • Der zivilrechtlich tätige Anwalt muß nicht offenbaren, daß sein Mandant den Verkehrsunfall selbst verschuldet hatte;
  • sein Mandant, der Bauunternehmer, in Wirklichkeit keinen Anspruch auf weitere Euro 137.582,70 incl. Umsatzsteuer und Verzugszinsen hat, weil er „Pfusch am Bau“ abgeliefert hatte;
  • oder umgekehrt: beim Streit um die identische Summe agiert der Anwalt, diesmal als Vertreter des Bauherrn, zivilprozessual mit den „Beweislastregeln“, führt eine niedrige Festpreisvereinbarung als Behauptung ein, und der Bauunternehmer scheitert mit seinem gerechten Anspruch auf „übliche Vergütung“, die eigentlich selbstverständlich erscheint, weil ihn plötzlich die im konkreten Fall nicht führbare Beweislast trifft.

Der Anwalt darf sich ob seines Geschicks in diesen Fällen freuen wie seinerzeit der FV Weinheim, als er den FC Bayern München aus dem DFB-Pokal warf. Statt der „Antigone“ hätte Jean Anouilh den Advokaten bemühen können, um seine Idee des „Rollenspiels“ verständlich zu machen. Wir dürfen es nicht vergessen:

Der Anwalt ist nicht unparteiisch, er ist nicht der Richter, er ist parteiisch, er wird von nur einer Seite bezahlt für seine deshalb folgerichtig einseitige Parteilichkeit.

So funktioniert unser Rechtssystem, so balanciert es sich aus. Alle wissen es.

Keiner, außer dem Betroffenen natürlich, stört sich daran, daß der Anwalt für seinen Mandanten Euro 137.582,70 „herausgeholt“ hat, die dieser eigentlich gar nicht verdient hatte. Eher erhöht sich das Renommé „des geschickten Advokaten“ dadurch.

Die anwaltliche Schweigepflicht hat man in Deutschland zu Grabe getragen – jedenfalls in weiten Teilen.

Alles übertrieben? Das kann nicht wahr sein? Nur ein Alptraum?

Nein, das ist leider traurige Realität.

Aber alles hübsch der Reihe nach:

Wir haben es mit der berühmten „Salamitaktik“ zu tun. Scheibchenweise wird das Recht in seinen Grundfesten geändert. Auslöser der Rechtsänderungen sind nicht die Vorfälle vom 11. September 2001 in den USA, diese werden lediglich dankbar als „Argumentationskrücke“ ins Feld geführt. Sämtliche hier dargestellten Rechtsänderungen gehen auf Initiativen weit vor dem 11. September 2001 zurück. In Abwandlung der angelsächsischen Rechtsweisheit müßte man formulieren: „Hard cases support bad law.“

Unauffällig wurde in Deutschland kurz vor Weihnachten 2001 das „Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz“ – StVBG – verabschiedet. In dessen Art. 2 Nr. 3 ist eine neue Bestimmung der „Abgabenordnung“ – AO – enthalten, nämlich § 370a AO. Wir beschäftigen uns mit diesem Paragraphen, obwohl er am 21. Dezember 2007 (wieder unmittelbar vor Weihnachnten) wieder gestrichen worden ist (Einzelheiten siehe weiter unten). Dieser Bestimmung konnten wir – uns im Sachzusammenhang dieser Ausführungen interessierend – folgendes entnehmen:

„Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer gewerbsmäßig…in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.“

Der Zusatz „in großem Ausmaß“ war sogar erst eine nachträgliche Abänderung des Gesetzes aufgrund erheblichen Protestes aus den Reihen der Rechtswissenschaftler. Die Abänderung beruhte auf dem „Fünften Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen“.

Was dem Juristen an § 370a AO sofort auffiel war die Mindeststrafe von einem Jahr. Damit hatten wir es nicht, wie bei Steuerdelikten in vielen Ländern üblich, mit einer „Ordnungswidrigkeit“ zu tun. Wir hatten es nicht einmal mehr mit einem „Vergehen“ zu tun wie es der Fall ist beim „Diebstahl“ (§242 StGB), dem „Besonders schweren Fall von Diebstahl“ (§243 StGB), der „Unterschlagung“ (§246 StGB), der „Erpressung“ (§253 StGB), dem „Betrug“ (§263 StGB), der „Untreue“ (§266 StGB) und dergleichen mehr. Wir hatten es mit nicht weniger zu tun als mit einem „Verbrechen“.

Viele Bürger, die im Ausland ein renditebringendes Konto / Depot haben, die vielleicht auf der Durchreise nach Italien vor dreißig Jahren mal schnell etwas für eine zusätzliche Altersversorgung getan hatten und diskret zusätzlich und sogar aus versteuerten Geldern heraus sich eine Lebensversicherung in der Schweiz aufbauten, mußten sich danach Gedanken darüber machen, ob Steuerfahnder, Staatsanwälte und vor allem Gerichte ihr Verhalten nicht nur als steuerverkürzendes „Kavaliersdelikt“, sondern als „gewerbsmäßig“ und damit verbrechensbegründend einstufen. Und gewerbsmäßig handelt, wer die Absicht hat, sich durch wiederholtes Begehen der Tat eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen.

Der international tätige deutsche Rechtsanwalt oder Steuerberater der konsultiert wird zum Zwecke der Steueroptimierung und der sich vom Ausland aus ergebenden Chancen, in Deutschland Steuern zu sparen, wird ohnehin nie von den örtlichen Finanzamtsbediensteten gern gesehen. Er ist ihr „geborener Feind“. „Gewerbsmäßigkeit“ seines Handelns ist schon wegen der Gebühren, die er berechnet, gegeben; den Steuervorteil hat „der andere“, was nach § 370a AO ausgereicht hatte.
Auf das berühmte „Glatteis“ gerät man selbst als Fachmann von Zeit zu Zeit auch bei legal konzipierten Steuersparkonstruktionen. Ist man deshalb ein potentieller Verbrecher?

Unserer Auffassung hatte sich letztlich selbst der BGH angeschlossen. Die BGH-Richter bemängeln, daß die Definitionen der Vorschrift, nach der Steuern „in großem Ausmaß“ und „über einen längeren Zeitraum“ hinterzogen worden sein müssen, zu unbestimmt seien, um mit ihnen steuerunehrliche Bürger als Verbrecher zu verfolgen.

Der Gesetzgeber hat schließlich wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen diese Regelung (selbst im juristischen Mainstream) unauffällig und versteckt im „Gesetz zur Neuregelung der Telekomunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ vom 21. Dezember 2007 den Tatbestand des § 370a AO wieder abgeschafft.

Natürlich gibt es Ersatz für die Fiskaljäger des Obrigkeitsstaates:

In § 370 Abs.3 AO wurde ein weiteres Regelbeispiel für den Fall der „schweren Steuerhinterziehung“ aufgenommen.

Neu tatbestandsmäßig handelt nun, wer

“als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt“.

Immerhin bezieht sich das neue Regelbeispiel nicht mehr auf sämtliche Steuern.

Bedeutet das Entwarnung?

Natürlich nicht.

Der Gesetzgeber hat die juristische Methode der Regelbeispiele gewählt. Die aufgeführten Fälle sind also nicht abschließend. Im Einzelfall kann bei gleichwertigen ähnlichen Fällen, also bei anderen Steuerarten, durchaus ein „schwerer Fall“ im Sinne des § 370a AO konstruiert werden. Insbesondere gilt dies im Rahmen des Ermittlungsverfahrens. In diesem Stadium werden die Keulen geschwungen, weniger vor Gericht. Wenn das Gericht später einen „besonders schweren Fall“ nicht einmal zur Hauptverhandlung zuläßt, haben Staatsanwaltschaft und Steuerfahnder längst ihr Ziel erreicht; frei nach dem Motto:

„Illegal – scheißegal!“

Immerhin, im Gegensatz zum abgeschafften § 370a AO ist § 370 Abs. 3 AO kein „Verbrechen“ mehr im Sinne des Gesetzes, sondern nur noch ein „Vergehen“.

Fällt damit folgerichtig nun der „Geldwäschetatbestand“ weg, der an die Qualifizierung der Vortat als „Verbrechen“ geknüpft worden war?

Natürlich nicht.

J e d e Form der Steuerhinterziehung nach § 370 AO ist nun Vortat der „Geldwäsche“ geworden.

Der Gesetzgeber hat Kreide gefressen – und dabei alles noch einmal verschärft.

Gemäß § 261 StGB begeht „Geldwäsche“, wer mit den „Früchten“ eines „Verbrechens“ zu tun hat, wie es Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes formuliert (z.B. verbergen, Herkunft verschleiern, Ermittlungen gefährden).

Wer gegen §370 AO verstößt ist gleichzeitig ein Geldwäscher!

Auf ihn finden somit die eigens geschaffenen und vereinfacht durchzuführenden Abhörmöglichkeiten der staatlichen Obrigkeit Anwendung. Diese werden natürlich im Zuge der Ermittlungen durchgeführt, somit logischer Weise zu einem Zeitpunkt, in dem nur der Verdacht besteht (oder von einem übereifrigen Ermittler behauptet wird), „Otto Normalverbraucher“ könnte vielleicht im Sinne des Gesetzes „Geldwäscher“ sein. Was später einmal ein Gericht während der Hauptverhandlung meint – sollte es jemals so weit kommen – ist völlig ohne Belang. Den Ermittlungsschergen wird ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, mitteels dessen sie sich richtig austoben können.

Uns interessiert eine andere sehr konkrete Rechtsfolge:

Im November 2001 hatte das Europäische Parlament auf Betreiben eigentlich sämtlicher EU-Mitgliedsstaaten eine Richtlinie beschlossen, die schon sehr lange vor dem 11. September 2001 gefordert worden war und nie etwas mit „Terrorismusbekämpfung“ zu tun hatte. Gemäß dieser Richtlinie sollten Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare und Wirtschaftsprüfer ihre eignenen Mandanten anzeigen müssen bei dem Verdacht, diese könnten etwas mit Geldwäsche zu tun haben. Eine Richtlinie wie diese ist gesondert in innerstaatliches Recht umzusetzen, um Wirksamkeit zu entfalten. Manchmal braucht Deutschland zur Umsetzung von Richtlinien so lange Zeit, daß es vor dem EuGH verklagt wird. Nicht so in diesem Fall.

Schon am 20. Februar 2002 verabschiedete das Bundeskabinett danach den Entwurf des sog.

„Geldwäschebekämpfungsgesetzes“,

das im Juni 2002 mühelos die gesetzlichen Hürden übersprang.

Uns interessiert die mit dem geltenden Recht einhergehende Änderung der §§ 3 und 11 des „Geldwäschegesetzes“ – GwG.

Rechtsanwälte und Steuerberater sind in vielen Fällen seither gezwungen, ihre eigenen Mandanten heimlich hinterrücks zur Anzeige zu bringen, wenn sie ihren Kanzleisitz in Deutschland beibehalten.

Rechtsanwälte werden gem. § 3 GwG einer „allgemeinen Identifizierungspflicht“ unterworfen, wenn sie für ihre Mandanten an der Planung oder Durchführung von Geschäften mitwirken wie:

  1. Kauf und Verkauf von Immobilien und Gewerbebetrieben,
  2. Verwaltung von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Vermögenswerten ihres Mandanten,
  3. Eröffnung oder Verwaltung von Bank-,Spar- oder Wertpapierkonten,
  4. Beschaffung der zur Gründung, zum Betrieb oder zur Verwaltung von Gesellschaften erforderlichen Mittel,
  5. Gründung, Betrieb oder Verwaltung von Treuhandgesellschaften, Gesellschaften oder ähnlichen Strukturen,
  6. oder wenn sie im Namen und auf Rechnung ihrer Mandanten Finanz- oder Immobilientransaktionen durchführen.

Für diese „eingrenzende Aufzählung“ sollen die Rechtsanwälte auch noch dankbar sein!

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer usw. unterliegen gem. §3 GwG grundsätzlich und immer dieser „allgemeinen Identifizierungspflicht“, egal was sie für den Mandanten tun.

Diese Identifizierungspflicht an sich ist natürlich nicht das Problem. Wer arbeitet schließlich zeitaufwendig für einen Mandanten ohne zu wissen, wem er die Rechnung zu übersenden hat?

An die in §3 Absatz 1 GwG genannten Personen und Fallkonstruktionen knüpft §11 GwG an und formuliert eine

Pflicht zur Anzeige.

Egal, um welche Summen es sich handelt – also selbst bei Bagatellbeträgen – hat der Rechtsanwalt, wie oben beschrieben, unverzüglich Anzeige zu erstatten, wenn er Tatsachen feststellt, die lediglich darauf schließen lassen, daß eine Finanztransaktion einer Geldwäsche nach § 261 StGB dient oder im Falle der Durchführung dienen würde.

Der Rechtsanwalt kommt in den Genuß des zweifelhaften Privilegs, seine Anzeige an die Bundesrechtsanwaltskammer senden zu müssen, die dann ihrerseits verpflichtet ist, die Anzeige – mit oder ohne eigenen Kommentar – an die üblichen zuständigen Stellen weiterzuleiten.

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer usw. haben ihre Anzeige unmittelbar und unverzüglich der zuständigen Strafverfolgungsbehörde und in Kopie dem Bundeskriminalamt – Zentralstelle für Verdachtsanzeigen – zuzuleiten.

§11 Abs. 3 Satz 1 GwG scheint nun auf den ersten Blick dem Rechtsanwalt – ganz exklusiv – doch noch einen „Notausgang“ zu öffnen. Darin ist formuliert, daß der Rechtsanwalt dann nicht zur Anzeige verpflichtet ist, wenn dem Geldwäscheverdacht Informationen von dem oder über den Mandanten zugrundeliegen, die er im Rahmen der Rechtsberatung oder der Prozeßvertretung dieses Mandanten (demnach nicht nur bei der Strafverteidigung), erhalten hat.

Die ganze Aufregung also übertrieben? Dem Gesetzgeber war auch diesmal das Schweigerecht heilig? Wurde die europäische Richtlinie zugunsten der überkommenen Rechte der Rechtsanwälte vom deutschen Rechtsstaat gekonnt „ausgetrickst“?

Leider nein, §11 Absatz 3 hat auch noch einen zweiten Satz:

„Die Anzeigepflicht bleibt bestehen, wenn die in Satz 1 genannten Personen wissen, daß der Mandant ihre Rechtsberatung bewußt für den Zweck der Geldwäsche in Anspruch nimmt.“

  • Welcher Mandant kommt uneigennützig zum Anwalt?
  • Glaubt der Gesetzgeber, „Otto Normalverbraucher“ mit seiner in Spanien seit Jahren vermieteten Finca würde den Anwalt nach Aufklärung über die Rechtslage nicht fragen, ob man um die Steuerzahlung vielleicht irgendwie trotzdem herumkommen könne?
  • Im günstigsten Fall wird er nachdenklich-deprimiert die Kanzlei verlassen. Und sicherlich wird er nicht sofort von den Kanzleiräumen aus das Finanzamt kontaktieren, diese Annahme wäre lebensfremd.

Während also der Mandant erst einmal nachdenkt, fertigt sein Rechtsanwalt wegen der geforderten „Unverzüglichkeit“ sofort und heimlich hinter dem Rücken seines Mandanten seine Verdachtsanzeige. Das aus der Beratung heraus gewonnene Wissen könnte „Otto“ ja ausnutzen – dieser elende Geldwäscher!

Dem Kollegen Rainer Spatscheck ist absolut zuzustimmen (Beitrag vom 09.10.2001, „Bedrohung für Rechts- und Steuerberater“ in der „Financial Times Deutschland“), wenn er feststellt, daß in Deutschland Steuerhinterzieher isolierter dastünden als „Schwerstkriminelle“.

Ist Advokatur unter diesen Voraussetzungen in Deutschland noch praktizierbar?

Vorab:
Natürlich brauchen die Menschen in Deutschland ihre Rechtsanwälte.

  • Der reine Strafverteidiger – mit seinen im Laufe der Jahre zusammengeschmolzenen strafprozessualen Verteidigungsmöglichkeiten – ist insoweit kaum betroffen.
  • Verkehrsunfälle haben auch auf der Grundlage des neuen Rechts kaum etwas mit „Geldwäsche“ zu tun und können weiter wie bisher reguliert werden.
  • Der Streit um Nachbars Pflaumenbaum nahe der Grundstücksgrenze kann ungestört weitergeführt werden.

Aber schon beim Ehescheidungsverfahren kann es kritisch werden, wenn es um Vermögensauseinandersetzung geht.

Kommen wir in den Bereich der Unternehmensgestaltungsberatung oder gar der Anwaltstätigkeit bei internationalen Geschäftsbeziehungen, wird es ganz schnell ganz kritisch. Daß der Anwalt selbst Gefahr läuft, zum Täter oder Mittäter hochstilisiert zu werden, muß den Mandanten vordergründig weniger interessieren.

Was den Mandanten unmittelbar und tief beim Aufbau eines bedingungslosen Vertrauensverhältnisses zu seinem Rechtsanwalt treffen muß ist die Angst davor, von seinem eigenen Rechtsbeistand an den „Galgen“ geliefert zu werden – nach dem alten Finanzamtsmotto:

„Höflich bis zur letzten Sprosse, aber gehängt wird doch!“

Die Schlußfolgerung ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, daß zumindest deutsche Rechtsanwälte, die sich als „stärker gefährdet“ einschätzen müssen, ihre Arbeit oder Teile derselben künftig in ein Land außerhalb der Europäischen Union verlagern, wo ihr „Schweigerecht ohne wenn und aber“ gesetzlich unangetastet bleibt.
Geschieht die komplette Tätigkeit für den Mandanten vom Ausland aus, ohne in diesem Land gegen Recht und Gesetz zu verstoßen, bleibt das deutsche Gesetzeswerk ohne Folgen, und das Vertrauensverhältnis Rechtsanwalt – Mandant ist gerettet.

Der Mandant muß sich nur von der Vorstellung trennen, seinen Anwalt „gleich um die Ecke“ an dessen Schreibtisch aufsuchen zu können.

Die Folge der Gesetzesänderung ist, daß immer mehr deutsche „Wirtschaftsjuristen“ ins Exil gehen oder andersartige „Exillösungen“ sich schaffen. Hier sind die sich beständig verbessernden Möglichkeiten im Internet die richtige Antwort der sich wehrenden Advokatur.

Das anwaltliche Schweigerecht ist „Heimatvertriebener“ geworden.

Darum arbeiten wir jetzt für unsere Kunden im Exil.

Zugegeben – es gibt schlimmeres, als in Panamá zu residieren.

A N H A N G :
die oben besprochenen Gesetzestexte,
das GwG in der Fassung der seinerzeitigen Änderungen:

Abgabenordnung – AO –

(in der jüngsten Fassung unter Berücksichtigung des „Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes“ – StVBG – vom 19.12.2001)

§ 370a AO

Gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung

Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(eingefügt durch Art. 2 Nr.3 StVBG vom 19.12.2001)

Strafgesetzbuch – StGB –

(in der jüngsten Fassung unter Berücksichtigung des „Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes“- StVBG- vom 19.12.2001)

§261 StGB

Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschhleiert oder die Ermittlungen der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

1. Verbrechen,

2. Vergehen nach

a)…

b)…

3. Vergehen nach § 373 und, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt, nach § 374 der Abgabenordnung, jeweils auch in Verbindung mit § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen,

4. …

5. …

In den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 sowie im Falle des § 370a der Abgabenordnung gilt Satz 1 auch für unrechtmäßig erlangte Steuervergütungen sowie Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind.

(2) …

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) …

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, daß der Gegenstand aus einer in Absatz 1 genannten rechtwidrigen Tat herrührt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ferner und besonders zu beachten zu beachten:

Geldwäschegesetz – GwG –

(Gesetz i.d.F. des sog. „Geldwäschebekämpfungsgesetzes“ der Bundesregierung v. 20.02.2002, neue Textfassung nachstehend schraffiert dargestellt.)

§3 GwG

Allgemeine Identifierungspflichten für andere Unternehmen und Personen

(1) Den allgemeinen Identifizierungspflichten des § 2 Abs. 1 und 2, auch in Verbindung mit Absatz 3, unterliegen bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit auch:

1.

Rechtsanwälte, Rechtsbeistände, die Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind, Patentanwälte und Notare, wenn sie für ihre Mandanten an der Planung oder Durchführung von folgenden Geschäften mitwirken:

a) Kauf und Verkauf von Immobilien oder Gewerbebetrieben,

b) Verwaltung von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Vermögenswerten ihres Mandanten,

c) Eröffnung oder Verwaltung von Bank-,Spar- oder Wertpapierkonten,

d) Beschaffung der zur Gründung, zum Betrieb oder zur Verwaltung von Gesellschaften erforderlichen Mittel,

e) Gründung, Betrieb oder Verwaltung von Treuhandgesellschaften, Gesellschaften oder ähnlichen Strukturen,

oder wenn sie im Namen und auf Rechnung ihrer Mandanten Finanz- oder Immobilientransaktionen durchführen.

2.

Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte.

3.

Immobilienmakler und

4.

Spielbanken gegenüber Kunden, die Spielmarken im Wert von 1.000 Euro oder mehr kaufen oder verkaufen.

Sonstige Gewerbetreibende,..

§ 11 GwG

Anzeige von Verdachtsfällen

(1) Ein Institut oder ein Unternehmen oder eine Person in den Fällen von §3 Abs. 1, auch wenn die Beträge im Sinne des § 6 Satz 1 unterschritten werden, hat bei Feststellung von Tatsachen, die darauf schließen lassen, daß eine Finanztransaktion einer Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches dient oder im Falle ihrer Durchführung dienen würde, diese unverzüglich mündlich, fernmündlich, fernschriftlich oder durch elektronische Datenübermittlung den zuständigen Strafverfolgungsbehörden und in Kopie dem Bundeskriminalamt – Zentralstelle für Verdachtsanzeigen – anzuzeigen. … Eine angetragenen Finanztransaktion darf frühestens durchgeführt werden, wenn dem Institut, dem Unternehmen oder der Person im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4, Satz 2 und 3 die Zustimmung der Staatsanwaltschaft übermittelt ist oder wenn der zweite Werktag nach dem Abgangstag der Anzeige verstrichen ist, ohne daß die Durchführung der Transaktion strafprozessual untersagt worden ist; fällt der zweite Werkatg auf einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Ist ein Aufschub der Finanztransaktion nicht möglich, so darf diese durchgeführt werden; die Anzeige ist unverzüglich nachzuholen.

(2) Eine Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich zu wiederholen, sofern sie nicht bereits fernschriftlich oder durch elektronische Datenübermittlung erfolgt ist.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Personen nicht zur Anzeige verpflichtet, wenn dem Geldwäscheverdacht Informationen von dem oder über den Mandanten zugrunde liegen, die sie im Rahmen der Rechtsberatung oder der Prozeßvertretung dieses Mandanten erhalten haben. Die Anzeigepflicht bleibt bestehen, wenn die in Satz 1 genannten Personen wissen, daß der Mandant ihre Rechtsberatung bewußt für den Zweck der Geldwäsche in Anspruch nimmt.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 übermittel die in § 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Personen die Anzeige an die für sie zuständige Bundesberufskammer. Die Kammer kann zur Anzeige Stellung nehmen. Sie leitet die Anzeige…

(5) Ein Institut oder eine Spielbank darf den Auftraggeber der Finanztransaktion oder einen anderen als staatliche Stellen nicht von einer Anzeige nach Absatz 1 oder Absatz 2 oder von einem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren in Kenntnis setzen.

(6) …

(7) …

Das also ist sie, die ungeschminkte Rechtslage im „Rechtsstaat Deutschland“ für den Rechtsanwalt, dem „Organ der Rechtspflege“.

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