Quantitative Easing der EZB

Iguazu.png
Download PDF

Die EZB hat bei ihrem Mammut-Anleihenprogramm die Bondskäufe im Juli 2015 erneut beschleunigt. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Notenbanken erwarben seit dem Beginn der Käufe am 09. März 2015 bis zum 20. Juli 2015 öffentliche Schuldtitel für insgesamt 216,35 Milliarden Euro, wie die Euro-Wächter an jenem Tag in Frankfurt mitteilten.

Die Logik des Finanzmarkts basierte einst darauf, daß Sparer einen Lohn erhalten und Schuldner eine Strafgebühr zahlen – Guthabenzinsen und Schuldzinsen halt.

Diese Logik gilt nicht mehr. Ein Drittel aller ausstehenden Staatsanleihen ist am Markt nur noch für negative Renditen zu bekommen. Selbst der Kurs einer kurzlaufenden Nestlé-Anleihe ist so stark gestiegen, dass jeder, der jetzt kauft, einen Verlust erzielt. Was wird wohl der Preis für die heutige Schein-Stabilität der Finanzmärkte sein? Die Instabilität von morgen oder ein baldiger Zusammenbruch?. Lenin hat uns gewarnt: „Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören“, sagte er einst, „muß man nur ihr Geldwesen verwüsten.“

Private Geldinstitute, von quasistaatlichen Notenbanken mit Geld aufgepumpt, verliehen Staaten Geld ohne Risiko und mit hohen Profit. Ein Land wie Griechenland hat da nicht stärker gesündigt als die anderen westlichen Industriestaaten. Nur so konnten die Staaten ihre Sozialprogramme finanzieren, die bei solidem Wirtschaften unfinanzierbar wären. Dergestalt entstanden in so gut wie allen westlichen Industrienationen Schuldenberge, von denen schon vor der Lehman Brothers Pleite jeder wußte, daß sie nie zurückgezahlt werden könnten. Schon vor dem Ausbruch der Fiananzkrise herrschte das nicht mehr kontrollierbare „Schneeballsystem“, das bestehende Schulden (wenn überhaupt) mit neuen und noch höheren Schulden abtrug. Auch ohne Subprimekrise war das Schuldensystem unumkehrbar auf der schiefen Ebene. Alle nicht durch reale Werte wie z.B. Gold gedeckte Papiergeldsysteme sind in der Geschichte immer gescheitert, weil es der grenzenlosen Geldproduktion keine Schranken setzt.
Den Regierungen ist es recht, weil dieses System sie als soziale Wohltäter auftreten läßt. Die Rechnung bezahlt später derjenige, der solide gewirtschaftet und gespart hatte. Jede Regierung hofft, daß das nicht schon während ihrer Amtszeit geschieht. Was damit einhergeht, wenn sich Staaten zu Abhängigen der Finanzwelt machen ist klar:

Souveränitätsverlust der Politik gegenüber den Finanzmärkten.

Im Machtdreieck zwischen Staaten, Notenbanken und Privatbanken haben sich die Gewichte in Richtung der Privatbanken verlagert – zum Leidwesen der Staaten und Notenbanken.
Die Onlineausgabe der „Wirtschaftswoche“ drückte das in einem Beitrag von 22. Februar 2015 so aus:

Jeden Abend aufs Neue werden wir in der Tagesschau darüber aufgeklärt, dass nicht die Wahltermine in demokratisch verfassten Ländern den politischen Takt in Europa vorgeben, sondern die Fälligkeitstermine einer Finanzindustrie, die als lender of the very last resort von denselben Staaten und Notenbanken gerettet werden, die sich zugleich in deren Abhängigkeit und Gefangenschaft begeben haben.
Dazu aber,

  • von der schleichenden Selbstentmachtung der politischen Instanzen,
  • von den Souveränitätstransfers hin zu den Agenturen des Finanzregimes,
  • vom schwindenden Einfluss des Wählers auf politische Entscheidungsprozesse
  • und vom unheimlichen Gewicht von Expertengremien (Euro-Gruppe, EZB-Rat),

dazu hören wir von Politikern, aus Griechenland wie Deutschland, im achten Jahr der Finanz-, Geld-, Banken- und Wirtschaftskrise, kein einziges gescheites Wort.

Praktisch erreicht das Finanzsystem nun seine Grenze; es weiß nicht, wohin mit dem Geld, aber erweist sich als unfähig, die stagnierende Realwirtschaft mit Krediten zu versorgen.

Es ist recht schockierend zu sehen, daß die EZB 1.140 Milliarden Euro an neuem Geld druckt, die EU-Kommission aber nicht das Geld findet, einen europäischen Investitionsplan ausreichend zu finanzieren.

Mario Draghi hat in Frankfurt also ein massives Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen (Quantitative Easing, kurz: QE) zur Umsetzung ab März 2015 angekündigt. Schon zuvor stieg der Dax, getrieben von den gelddrogensüchtigen Akteuren am Aktienmarkt und nach der Entscheidung immer weiter. Und der Euro fiel natürlich parallel dazu.

Man erkennt im Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Fürsprecher reformunwilliger Problemstaaten wie Italien oder Frankreich, die sich ihren Schlendrian durch viel billiges Geld aus Frankfurt subventionieren lassen.

Das am 22. Januar 2015 von Draghi präsentierte Anleihekaufprogramm hat ein Volumen von 1.140 Milliarden Euro, die von März 2015 bis September 2016 in die Wirtschaft gepumpt werden sollen, wobei eine Fortsetzung in Aussicht gestellt wird, falls es notwendig sein sollte. Das sind 63 Milliarden pro Monat, also umgerechnet ungefähr 80 Milliarden Dollar.

Das wiederum ist genau die Summe, die mit dem unmittelbar zuvor beendeten QE3 von der Fed in die US- Wirtschaft gepumpt wurde. Offensichtlich rechnen Draghi und Bernanke mit demselben Rechenprogramm. Vielleicht haben die Amerikaner Draghi aber einfach erklärt, wie er zu rechnen hat.
Der ehemalige Goldman Sachs Bedienstete, lauschte er auf des „Masters Voice“?
Diese Zahl entspricht genau der Mindestsumme an ausländischem Kapital, die jeden Monat in die USA fließen muß, um die dortige öffentliche und private Verschuldung zu finanzieren.

Welch ein Zufall!

Draghi hat seine Position radikal verändert, nachdem er vom jährlichen Zentralbankertreffen in Jackson Hole vom 22.-24. August 2014 zurückgekommen war. Auf solchen Treffen, innerhalb dieser intransparenten Zirkel, wie auch bei den monatlichen Treffen der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) werden alle wichtigen Zentralbankentscheidungen getroffen.
Vor seiner Abreise in die USA vertrat Draghi die Auffassung, man müsse abwarten, wie die im Juni getroffenen Maßnahmen wirken würden, wie z.B. das Absenken der Leitzinsen von 0,25% auf 0,15% und die Einführung von Negativzinsen für unproduktive Bankeinlagen. Als er von dem Treffen zurückkam, konnte er gar nicht schnell genug die Leitzinsen noch einmal auf 0,05% senken und überraschte damit jeden. Damit wurde der Öffentlichkeit und den Banken vermittelt, daß nun höchste Eile angesagt sei. Und dazu paßte dann auch seine Ankündigung eines europäischen QE. Was also war auf dem Zentralbankertreffen vorgefallen?

Offensichtlich wurde dort Euroland aufgetragen, sich nun vor die Weltwirtschaft bzw. – korrekter – die globalen Finanzmärkte zu spannen und die Amerikaner abzulösen. Daß es der Eurozone inzwischen wieder besser ging, spielte bei dieser Entscheidung keine Rolle.

Deutschen Bedenken wurde bei Draghis Entscheidung nur teilweise Rechnung getragen. Eigentlich gar nicht, denn im Ergebnis ist alles nur Augenwischerei:
Die EZB will 8% der Staatsanleihen auf die eigene Bilanz nehmen. Zudem gilt das Prinzip der gemeinschaftlichen Haftung lediglich für einen Fünftel der zusätzlich aufzukaufenden Anleihen. Mit dieser Idee, aus der Währungsunion eine „Gemeinschaft mit beschränkter Haftung“ zu machen, beschädigt der EZB-Chef zunächst den Grundsatz der einheitlichen europäischen Geldpolitik, er vertieft die Gräben im Zentralbankrat und nährt die Illusion, daß sich die Mitgliedsländer vor den Folgen leichtfertiger Finanzpolitik abschotten könnten. Der Großteil der Ausfallrisiken fällt nämlich bei den nationalen Notenbanken an, bei italienischen Staatspapieren etwa bei der Banca d’Italia.
Aber nochmals: alles nur Augenwischerei. Zu der Augenwischerei wurde im Spiegel am 24. Januar 2015 ein Kommentar (Michael Sauga) veröffentlicht:

„Ein Ausfall des drittgrößten Schuldners der Welt würde nahezu alle europäischen Banken, Unternehmen und Investoren treffen – und damit auch die Staaten. Das Zugeständnis des EZB-Chefs ist der Versuch, sich vor dem Atomschlag durch den Einbau einer Stahltür schützen zu wollen.“

Die Augenwischerei, das theoretische Abrücken von der Idee eines vollen „Risk sharing“ ist in Wirklichkeit wertlos, da beim Zahlungsausfall eines Euro-Raum-Mitglieds eben weiterhin auch die übrigen Euro-Staaten zur Kasse gebeten werden. In Deutschland läßt sich ein als „national“ etikettiertes Programm mit sogenanntem teilweisen Haftungsausschluss etwas leichter vermarkten. Wie immer soll die Öffentlichkeit für dumm verkauft werden.

Bei seinem Besuch in Berlin unmittelbar vor der QE-Entscheidung soll Draghi betont haben, daß die Entscheidung über Aktivierung, Zeitpunkt und Umfang des Programms allein bei der EZB liege. Und der EZB-Rat hatte im Dezember 2014 beschlossen, die Bilanz der EZB um 1.000 Milliarden Euro zu vergrößern. Da ist nach der konkreten Entscheidung sogar noch ein Nachschlag fällig und wahrscheinlich kommt dann noch einmal was. Also bitte kuschen, Frau Merkel und Herr Schäuble, „whatever it takes“. Es bleibt bei der traditionellen Rollenverteilung: Merkel schweigt, Schäuble schimpft, Draghi agiert.

Drei entscheidende Fragen:

  1. Ist QE nötig?
  2. Ist QE wirksam?
  3. Sind die Nebenfolgen akzeptierbar?

1.
Es wird seitens der EZB und dem langweilig eintönigem Chor der Presse das Gespenst einer drohenden Deflation heraufbeschworen. Dagegen soll QE helfen. Nur ist eine Deflation nirgendwo erkennbar. Zwar sinkt die Inflation. Das war einerseits aber dem Einmaleffekt eingebrochener Erdölpreise zuzuschreiben, während die Kerninflation jüngst wieder angezogen hat.

Wenn man sich die Eurolandzahlen für 2014 anschaut, sieht man vor allen Dingen, daß die Eurozone im Jahr 2014 aus der Rezession gekommen war, denn mit einem Wachstum von 0,8% bis 1% steht sie viel besser da als 2012 und 2013, die schwere Jahre für die europäische Wirtschaft waren.

Wenn man sich die Bilanz der EZB anschaut, erlebt man eine echte Überraschung. Seit 2012 hat die EZB ihre Bilanz konstant bereinigt. Bis zum Oktober 2014 hatte sie bereits 1.100 Milliarden dem Geldkreislauf entzogen, was fast genau dem Umfang des kommenden QE entspricht. Sie ist damit die einzige Zentralbank weltweit, die mit diesen notwendigen Maßnahmen begonnen hatte.

Euroland verzeichnet ein Wachstum von 0,8%, während die EZB gleichzeitig dem Geldkreislauf eine Summe entzieht, die ungefähr 1,5% des BIP entspricht. Damit steht die Eurozone viel besser da als die USA, die ein Wachstum verzeichnen, das niedriger liegt als die Summen, die die Fed in die Wirtschaft gepumpt hat.

Zum Jahresende 2014 waren die Einzelhandelsumsatzzahlen in Europa sehr ermutigend, viel besser als in den Vergleichsländern, auch die Handelsbilanz wies einen deutlichen Überschuß auf, ein Rekord seit der Schaffung der gemeinsamen Währung im Jahr 1999, ausländisches Kapital strömt nach Euroland wie nie zuvor, die öffentlichen Ausgaben sind stabil, der Wirtschaftsklimaindex für Euroland ist der einzige unter den Vergleichsländern, der zum Jahresende nach oben zeigt. Da kann man einfach nicht mehr begreifen, warum es überhaupt eines QE bedarf. Warum wurde überhaupt die Bilanz der EZB 24 Monate lang verringert, wenn dann eine Kehrtwende justament in dem Augenblick vollzogen wird, wo sich die Dinge zum Besseren wenden?

Draghi wird am Ende für das QE und seine Förderung des Wachstums gelobt werden,..
… denn die Ergebnisse sind schon da, bevor überhaupt mit dem QE begonnen wurde.

So meldeten die Statistiker von Eurostat am 3. März 2015, dem Tag des Startes von Draghis QE, einen positiven Trend: Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone war im Januar 2015 „überraschend“ auf den niedrigsten Stand seit fast drei Jahren gesunken. Die Arbeitslosenquote gab auf 11,2% nach. Im Dezember waren es noch 11,3%. Auch die Lebenshaltungskosten sanken im Februar im Vergleich zum Vorjahr wieder weniger, nämlich um nur noch 0,3%, wie Eurostat auf Basis vorläufiger Daten mitteilte. Experten hatten mit einem Wert von minus 0,4% gerechnet. Im Januar waren die Preise noch um 0,6% gefallen.

Europa hat tatsächlich am QE absolut keinen Bedarf.

Die EZB sorgt im Ergebnis dafür, daß die amerikanischen Finanzmärkte für ihre Schulden nicht mehr so viele Zinsen bezahlen müssen, und sie auch ohne Risiko gigantische Profite einstreichen können. Draghi handelt nicht im Interesse Europas, er handelt im Interesse von Goldman Sachs und Konsorten.

2.

Entfaltet QE wenigstens stimulierende Wirkung für die Realwirtschaft?

Zweifel sind angebracht. Das nun zusätzlich geschaffene Geld wird nicht bis zu den produzierenden Unternehmen durchsickern, also kaum Einfluß auf die Kreditvergabe haben. Wenn Firmen derzeit nicht investieren, dann kaum wegen fehlender Liquidität, sondern mangels Glaube an die Reformkraft der Euro-Zone.
Überall in der westlichen Welt pumpen die Notenbanken Billionen in die Märkte. Aber die Inflationsraten fallen, vielerorts herrscht inzwischen Deflation.
Prominentes Beispiel: die USA. Die Fed hat in den vergangenen Jahren eine Pionierrolle in Sachen Quantitative Easing gespielt. Rund viereinhalb Billionen Dollar Extra-Cash brachte sie unter die Anleger. Die Inflationsnorm von zwei Prozent hat sie dennoch nicht nachhaltig erreicht: Immer wieder melden die Washingtoner Statistiker ein leichtes Sinken des Preisniveaus; selbst ohne Öl liegt die Inflationsrate bei nur anderthalb Prozent. Ganz ähnlich ergeht es Großbritannien (Inflationsrate im Januar: 0,3%), der Schweiz (-0,5%) oder Schweden (-0,2%). Japans Regierungschef Shinzo Abe kommt auch nicht weiter mit seinen sog. „Abenomics“. Schon wenige Tage nach seiner Bestätigung im Amt verabschiedete sein Kabinett am 27. Dezember 2014 ein neues Paket in Höhe von 3,5 Billionen Yen (24 Milliarden Euro). Nach Darstellung der Regierung dürfte das Konjunkturpaket die Wirtschaftsleistung um 0,7% anschieben. Volkswirte sind dagegen skeptisch, ob der Effekt so stark sein wird. Und tatsächlich meldete das Handelblatt am 16. Februar 2015, daß die japanische Wirtschaft nur gering wüchse. Mit Ach und Krach war Japan im Schlußquartal 2014 gerade einmal aus der Rezession heraus gekommen. Die Kauflaune der Verbraucher und die Investitionen der Unternehmen blieben hinter den Prognosen zurück. Die Lage bleibt mau. Das jetzt erzielte Plus von aufs Jahr hochgerechneten 2,2% statt der von den Experten erwarteten 3,7% bedeutet für das vierte Quartal ein Wachstum von etwa 0,6%. Zum Vergleich: die deutsche Wirtschaft war Ende 2014 um 0,7% gewachsen.

Überall das gleiche Bild: Trotz Hyperaktivität der Notenbanken schrammt die Wirtschaft an der Inflationsnulllinie entlang oder unterschreitet sie sogar. Daraus zu schließen, jetzt müsse noch mehr Bares verteilt werden, ist nicht unbedingt einleuchtend. Es ist Blödsinn.

3.

Kommen wir zu den Nebenfolgen.

Durch die zusätzlich ins Finanzsystem gepumpte Liquidität verstärken sich nur die Übertreibungen an den Aktien- und Immobilienmärkten, während die in den negativen Bereich gerutschten Zinsen ihre wirtschaftliche Steuerungsfunktion endgültig verloren haben. Freuen dürfen sich nur die Zocker, die von der EZB noch mehr Spielgeld erhalten. Desgleichen reformunwillige Staaten wie Frankreich oder Italien, denen zusätzliche Zeit gekauft wird, was den Reformeifer weiter abbremst.

Der oben erwähnte Kommentar im Spiegel kommt zu dem Ergebnis, das Programm Draghis vermittele „gleich zwei falsche Botschaften. Das erste Signal geht an die Südländer und lautet: Es ist nicht schlimm, wenn ihr noch mehr Schulden macht. Die Botschaft an die Deutschen und ihre (wenigen) Verbündeten heißt: Die Folgen werden Euch nicht treffen.“

Der Euroraum erscheint nach außen nicht mehr als geschlossener Block. Alles erscheint wie eine schleichende Renationalisierung der Geldpolitik. Damit verliert der Euro an Glaubwürdigkeit. Draghis billionenschweres Kaufprogramm macht den Euro weich – seine undurchdachte und im Ergebnis wirkungslose nationale Ausgestaltung macht ihn noch weicher.