Der Leitzins in den USA bleibt auf seinem Rekordtief von 0 bis 0,25 Prozent. Das gab die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) am 17. September nach einer zweitägigen Sitzung des Offenmarktausschuss bekannt.
Wovor schon vor vielen Jahren gewarnt worden war, als Ben Bernanke mit dem Gelddrucken in grossem Umfang begann: Wer das zurückdrehen will befindet sich in der Position einer Person, die versucht, ausgedrückte Zahnpaste zurückzuschieben in die Tube.
Untergangswarnungen machten die Runde: Die nächste große Krise könne unmittelbar bevorstehen. Ein Spektakel, das zeigt, wie sehr das globale Finanzsystem aus den Fugen geraten ist – wie wacklig das System insgesamt ist.
Diese Woche näherte sich dieses absurde Schauspiel einem neuen Höhepunkt: Und nun ist der F-Day vorbei. Die Gouverneure des Fed, Amerikas Notenbank, entschieden, dass sie die Zinsen nicht anheben. Niemand rechnete ernsthaft mit einem Anstieg um mehr als einen Viertel Prozentpunkt. Aber selbst diese BVagatellentscheidung erschien zu riskant.
In normalen Zeiten hätte im Hinblick auf diese Entscheidung kein Hahn krähen.
Aber, und das zeigt den Wahnsinn auf, erstmals seit fast sieben Jahren wäre der Satz über die Nulllinie gestiegen.
Lasst die Finger davon, warnten in den vergangenen Wochen viele, darunter der IWF und die Weltbank. Sie fürchten eine Kettenreaktion in ärmeren Ländern:
- Einen Abriss der weltweiten Kapitalströme, der ohnehin angeschlagene Volkswirtschaften in eine tiefe Krise mit weltweiten Auswirkungen reißen könnte.
- Schlimmer noch: Die Angst geht um, die Welt insgesamt könnte in eine Deflationsfalle gesaugt werden – ein dauerhaftes Sinken der Preise, verbunden mit Massenarbeitslosigkeit, Pleiten und womöglich sozialen Unruhen.
Das alles wegen einer Zinsanhebung von 0,25%. Bedarf es deutlicherer Zeichen um zu verstehen, in welchem Zustand sich das gegenwärtige Finanzsystem befindet?
Wir sehen: Es bedarf nur eines ganz kleinen Windhauches, und das Kartenhaus des Finanzsystems droht zusammenzufallen.
In diesem Szenario könnte eine Zinserhöhung der US-Fed der entscheidende Auslöser sein – der Anstoß, der die Dominosteine zum Fallen bringt. Das Geplapper um eine mögliche Zinsanhebung wird weitergehen, Frau Yellen übt mit der Zahnpastatube also weiter.
“Das tieferliegende Problem besteht darin, dass sich die Weltwirtschaft insgesamt auf den Bankrott zubewegt – und das wird umso schneller gehen, je höher die Zinsen sind und je niedriger die Preissteigerungsraten”,
kommentierte Mr. Dax, Henrik Müller, am 13. September im Spiegel.
Er weisst darauf hin, dass seit Beginn der Globalisierung der weltweite Schuldenberg in gigantische Höhen gewachsen ist – von 87 Billionen Dollar im Jahr 2000 auf knapp 200 Billionen Dollar im Jahr 2014 (so eine Studie des McKinsey Global Institute). Es gibt es kaum Volkswirtschaften, die seit 2007 einen nennenswerten Schuldenabbau zustande gebracht hätten, wie auch der IWF bestätigt.
Ohne die Schuldenproblematik hätten wir es mit einem relativ normalen Abschwung zu tun. Nach einer langen Hochkonjunktur in den Schwellenländern existieren jetzt Überkapazitäten. Also senken die Unternehmen die Preise ihrer Produkte. Sie verbrauchen weniger Rohstoffe, was die Nachfrage nach Öl oder Aluminium zurückgehen lässt. All das drückt auf die Weltmarktpreise. Entsprechend liegen die Inflationsraten in den reichen Volkswirtschaften im Schnitt ganz knapp über Null, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft berechnet hat.
Eigentlich eine tolle Sache. Wären da nicht die Schulden.
Viele Unternehmen und Bürger weltweit haben wegen ihrer hohen Verbindlichkeiten kaum Spielraum zu investieren und zu konsumieren. Fallende Preise verschärfen ihre missliche Lage, weil dann der Wert der Schulden steigt.
Besonders hart könnte es die Privatwirtschaft in den Schwellenländern treffen. Sagenhafte 9,5 Billionen Dollar sind als Kredite an Firmen und Bürger außerhalb der USA verliehen worden, so die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.
Wären die amerikanischen Zinsen gestiegen, wären Schuldner überall auf der Welt unmittelbar von der Pleite bedroht gewesen. Isat das nicht eigentlich lächerlich?
Dieses Szenario spielt sich nicht in einem gefestigten Finanzsystem ab, die Krisenböen kreisen um nichts weiter als um ein Kartenhaus.