Löchriges Liechtenstein
Wie soll man auch ein angebliches „Steuerparadies“ ernst nehmen, in dem Bankmitarbeiter seit Mitte der 90er-Jahre immer wieder CDs und DVDs mit heiklen Kundendaten verkaufen – wahlweise an Kriminelle oder Steuerfahnder? Was soll man von der Justiz eines Ländchens halten, in dem so gut wie jeder mit jedem verwandt oder verschwägert ist – und im Falle eines Prozesses der Richter dem Plädoyer seines Schwagers (Staatsanwalt) lauschen müsste? (Kleine Anmerkung: Damit wenigstens das nicht geschieht, muss man sich immer wieder Personal in Österreich ausleihen …).
Das Beste an Liechtenstein ist, dass es überhaupt noch existiert. Denn sein – seltsamerweise – immer noch guter Ruf als Fluchtburg hilft, dass der deutsche Staat seine Steuern nicht noch stärker erhöht hat. Der Grund: Mit einem (scheinbaren) Steuerparadies nahe der Landesgrenzen wächst die Bereitschaft der Bürger, sich einem als zu stark empfundenen Zugriff des eigenen Staats zu entziehen. Das mag nicht jedem gefallen, ist aber Realität.
Kurzer Weg zum Spitzenzahler
Ebenso wie die Tatsache, dass der deutsche Fiskus ohnehin bereits kräftig abkassiert (42 Prozent Spitzensteuersatz, 5,5 Prozent Soli-Zuschlag, 3,0 Prozent „Reichensteuer“). Dabei trifft der Staat aber weniger die befehdeten und befahndeten Supervermögenden – sondern vor allem die Leistungsträger. Also die engagierten Facharbeiter, die hoch qualifizierten Angestellten und die erfolgreichen Selbständigen. Denn vor allem sie bilden jene viel zitierten zehn Prozent der Steuerzahler, die stolze 50 Prozent der gesamten Einkommensteuer entrichten – zu einem dieser „Top-Steuerzahler“ wird man übrigens schon ab einem Jahresbrutto-Einkommen von 65.950 Euro.
Den Fall Zumwinkel könnte die große Koalition der Abkassierer nur allzu gern als Anlass nehmen, die Steuergesetze weiter zu verschärfen. Und womöglich auch die Abgaben zu erhöhen. Damit das nicht passiert: Lasst Liechtenstein leben – es kann uns immerhin vor neuen Steuerattacken schützen.