Kreditfinanziertes Wachstum am Ende

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China zeigt erstaunliche Krisensymptome. Andere Schwellenländer wie Brasilien und Russland wanken. Die Kapitalflucht aus den Emerging Markets ist Realität. Wir sehen Kursverluste ihrer Währungen in der Größenordnung von 10% und mehr. In den großen Industriestaaten wächst die Wirtschaft nur in Deutschland noch, an das behauptete Wachstum in den USA können wir nicht glauben. Die anderen Länder dümpeln bestenfalls an der schwarzen Null herum.

Mit den jüngsten Einbrüchen an den Märkten werden einmal mehr die Grenzen eines Systems sichtbar, in dem wir uns in den letzten zwei Jahrzehnten eingerichtet haben: dem eines

rein kreditfinanzierten Wachstums.

Primär in der westlichen Welt sind Schulden nach Ausbruch der globalen Finanzkrise immer noch der Stoff, der alles heilen soll. Es sind die Zentralbanken, die dieses System des Wirtschaftens auf Pump mit ihrer Nullzinspolitik und ihren Notaktionen künstlich am Leben erhalten.

Seit 2007 ist allein die Staatsverschuldung der OECD-Industriestaaten von gut 70% auf 114% des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Das sind die offiziellen Zahlen. Es ist sehr wahrscheinlich, das die tatsächliche Staatsverschuldung durch beschönigende Berechnungsmethoden deutlich abgesenkt worden ist.

Die Bilanzsummen der G7-Notenbanken haben sich im selben Zeitraum von knapp Euro 3 Billionen auf fast Euro 10 Billionen Euro erhöht.

Es deutet vieles darauf hin, dass die mächtigste aller Notenbanken, die amerikanische Fed, ihre für September geplante Zinswende einmal mehr verschiebt aus Angst, ein noch so zaghafter Schritt in Richtung Normalisierung der Geldpolitik könne das fragile Schuldensystem ins Wanken bringen.

Staaten und Notenbanken haben sich bei der Bewältigung der Finanzkrise verausgabt.

Sogar zu Anleihekäufen von mehr als Euro 1,1 Billionen bis September 2016 hat sich die EZB durchgerungen. Kommt nun das, was in dieser Situation nicht kommen durfte: Der externe Schock?

Wenn das Wachstum in China einbricht, hat das gravierende Folgen:

  • Der extrem schwache Ölpreis,
  • die Abwertung der chinesischen Währung Yuan
  • und der Börsencrash

sind erste Symptome.

„Ich bezweifele, dass eine weitere Lockerung der bereits sehr expansiven Geldpolitik viel bringen würde, wenn eine Wirtschaftskrise in China auf den Euro-Raum durchschlüge“,

sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Wenn die weltweiten Turbulenzen nicht nur auf die US-Kapitalmärkte, sondern auch auf die Wirtschaft durchschlagen, steht auch der Fed mit leeren Händen da. Denn anders als die Notenbanken der Schwellenländer haben Fed und EZB die Zinsen auf praktisch null gesenkt und massiv Anleihen gekauft. Für beide Notenbanken gilt: Sie sind am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt.

Der Einbruch an den Aktienmärkten raubt nun in den USA selbst hartgesottenen Falken den Mut. Dennis Lockhart, Chef der Notenbank von Atlanta, verkündete zwar tapfer, er glaube weiter an eine Zinserhöhung der Fed noch in diesem Jahr und an eine baldige Normalisierung der Geldpolitik.
Wichtiger war aber, was er nicht sagte: dass seiner Ansicht nach der erste Zinsschritt nach oben seit neun Jahren schon im September fällig ist.
Diese These hatte er Anfang August noch vertreten und damit seinen Ruf als Falke bestätigt. Während Lockhart nur andeutet, dass er vorsichtiger wird, fordern US-Ökonomen wie Larry Summers schon lautstark, die Zinserhöhung zu verschieben.

„Eine baldige Zinserhöhung wäre ein schwerer Fehler, sie würde alle drei Ziele der Fed gefährden: Preisstabilität, Vollbeschäftigung und Finanzstabilität“,

schrieb er in einem Beitrag für die „Washington Post“.

Auch der Fed steckt in der Falle. Wer den Zins bei null hat, kann ihn nicht weiter senken.

Das klassische Mittel einer Notenbank gegen einen Abschwung hat sie nicht zur Verfügung. Als Ersatz hat sie in den vergangenen Jahren ihre Bilanz durch Anleihekäufe aufgebläht. Bisher ist die Bilanz noch nicht wieder geschrumpft – deswegen wird Fed-Chefin Janet Yellen sich scheuen, dieses Mittel noch einmal einzusetzen. Denn niemand weiß, wie eine noch größere Bilanzsumme sich auf die Finanzstabilität auswirkt.

US-Notenbankers William Dudley hält eine Anhebung der Zinsen im September wegen der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten inzwischen für weniger angemessen.

„Das scheint für mich weniger zwingend zu sein als noch vor ein paar Wochen“,

sagte Dudley am 26. August. Das weltweite Beben an den Finanzmärkten habe die Risiken für die US-Wirtschaft erhöht. Er wolle vor einer endgültigen Entscheidung über den Zeitpunkt des Zinsschrittes erst noch weitere US-Konjunkturdaten sehen, sagte der Präsident der New Yorker Fed.

Bei einer zweiten Finanzkrise Lehman’schen Ausmaßes wären die grossen Notenbanken komplett überfordert. Und die nächste Finanzkrise könnte schon bald kommen.

Wen wundert es daher wirklich, dass die Märkte nervös geworden sind, weil in China ein paar Sack Reis umgefallen sind?