Das Berliner Kammergericht hat ein richtungsweisendes Urteil gefällt
Der Handel mit Kryptowährungen sei in Deutschland nicht erlaubnispflichtig.
Das stellt das Berliner Kammergericht in seinem Urteil fest.
Das Berliner Oberlandesgericht (OLG) hat einen Händler von Kryptowährungen freigesprochen. Der damals 16-Jährige hatte im Jahr 2013 eine Bitcoin-Börse aufgebaut, dafür jedoch keine Erlaubnis der Finanzaufsicht Bafin eingeholt. Wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz (KWG) war er in der Folge zu allem Überfluss auch noch zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Das Kammergericht hat dieses Urteil nun gekippt.
Die Begründung hat es in sich:
Bitcoin seien weder Finanzinstrumente noch Rechnungseinheiten
(Urteil vom 25.09.2018 – Az. 161 Ss 28/18).
Das hat weitreichende Folgen.
Seit langem streiten Juristen über die Frage, welche rechtliche Natur Kryptowährungen aufweisen. In Deutschland ist die Finanzaufsicht Bafin bereits im Jahr 2011 im vorauseilendem Gehorsam vorgeprescht. Als viele andere Regulierer den gerade aufgelegten Bitcoin noch gar nicht auf dem Schirm hatten, stufte sie in einem Merkblatt Bitcoins als
- Komplementärwährung
ein,
- als sogenannte Rechnungseinheit.
Damit erhob sie die gerade geschaffene Währung zum Finanzinstrument. Das Kreditwesengesetz (KWG) selbst aber enthält insoweit gar keine Regelung. Das ist auch kein Wunder. Als der Begriff “Rechnungseinheit” 1997 in das Gesetz eingefügt worden ist, gab es Bitcoin und Co. noch gar nicht. Die Bafin masst sich nun – verfassungswidrig! – an, den Gesetzgeber ersetzen zu dürfen. Da weht das Rechtsbewusstsein eines Herrn Erdogan in der vermieften Behörde.
Das sieht das Berliner Gericht ebenso.
Das Kammergericht bestreitet, die Rechtsposition der Finanzaufsicht, dass der Bitcoin ein Finanzinstrument ist und dem KWG und damit auch den Strafnormen unterfiele.
Das Gericht stellt fest, dass die Kryptowährung von keiner
- Zentralbank,
- öffentlichen Behörde,
- rechtlich zu fassenden Emittenten
ausgegeben wird und ausserdem, rechtlich gesehen, über keine Wertbeständigkeit verfüge. Das Gericht sieht eine
Kompetenzüberschreitung der BaFin,
wenn sie den Bitcoin als devisenähnliche Rechnungseinheit und Finanzinstrument im Sinne des Aufsichtsrechts kategorisiert und intransparente Strafbarkeitsrisiken für den Bürger schaffe.
Dies sei mit dem grundgesetzlich geforderten Bestimmtheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Jeder Bürger müsse genau wissen, durch welches Verhalten er sich strafbar mache.
Soweit im Finanzmarktrecht zum Schutz des Verbrauchers Regelungsbedarf staatlicherseits behauptet wird, ist allein der Gesetzgeber aufgefordert, rechtsgestaltend Regelungslücken zu schließen – nicht irgendeine Verwaltungsbehörde.
Aus Sicht des Kammergerichts, begeht die Bafin seit sieben Jahren fortgesetzten Rechtsbruch:
„Mit der Behauptung, Bitcoins fielen unter den Begriff der Rechnungseinheiten (…), überspannt die Bundesanstalt den ihr zugewiesenen Aufgabenbereich“,
so das OLG. Die Bafin verkenne, dass es
„nicht Aufgabe der Bundesbehörden ist, rechtsgestaltend (insbesondere) in Strafgesetze einzugreifen.“
Für juristische Maßstäbe ist das ein vernichtendes Urteil an die Adresse der Behörde.
Ebenfalls im Erdogan-Stil kommentiert die Bafin auf Handelsblatt-Anfrage knapp:
„Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung im Strafrecht. Das Verwaltungsrecht bleibt davon unberührt.”
Der Erlaubnisvorbehalt würde bestehen bleiben, die Verwaltungspraxis ändere sich nicht. Das heißt im Klartext:
Erst nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig würde die Behörde von ihrem rechtsstaatswidrigen Verhalten Abstand nehmen. Sie folgt damit üblicher Behördenwillkür in Deutschland. Finanzbehörden ziehen sich beispielsweise gern auf den Standpunkt zurück:
“Wenn Du nicht zahlst was wir wollen, dann vollstrecken wir erst einmal. Kannst ja vor Gericht ziehen und sehen was Dir noch bleibt, wenn Du nach 5 Jahren gewonnen hast!”
Wie man sich nun praktisch verhält als jemand, der im Bereich von „Krypto & Co“ in Deutschland Aktivitäten entwickeln will, ist Mentalitätssache.
- Es gibt sowohl den konfliktscheuen Typus, der lieber einem Konflikt mit der Bafin aus dem Weg geht,
- als auch den selbstbewussten Krypto-Unternehmer, der dem verfassungswidrigen Verhalten der Bafin zum trotz auch ohne „Erlaubnis“ arbeitet und damit dem Gericht folgt; eine strafgerichtliche Verurteilung muss er jedenfalls kaum noch befürchten, behördliche Schikanen dagegen gehören zum Alltag in Deutschland.
Zurück zur Ohrfeige an die Adresse der Bafin.
- Es ist nicht das erste Mal, dass die Bafin mit einer extensiven Verwaltungsauffassung Schiffbruch erleidet vor Gericht.
- Bereits 2017 hatte der Europäische Gerichtshof die Bafin-Auffassung gekippt, dass die Vermittlung von Vermögensverwaltungsverträgen unter die Anlagevermittlung fällt. Auch hier hatte das Berliner Kammergericht bereits vor Jahren die Rechtsauffassung der Bafin verworfen, die Bafin aber erst nach der europäischen Entscheidung ihre Verwaltungspraxis angepasst.
- 2009 scheiterte die Behörde mit Ihrer Verfolgung kollektiver Anlagemodelle als Finanzkommissionsgeschäft.
Welche praktischen Folgen hätte das Urteil, wenn sich die Bafin der Sicht des Kammergerichts anschließt? Weitreichende, schlussfolgert Oliver Flaskämper, Gründer und Chef des einzigen regulierten deutschen Krypto-Marktplatzes Bitcoin.de.
„Wenn der Bitcoin-Handel nicht mehr erlaubnispflichtig wäre, könnten wir sofort Bitcoin-Geldautomaten in Deutschland aufstellen.“
Die Herforder Bitcoin Group, die Bitcoin.de betreibt, hatte sich als “braver deutscher Untertan” früh an die Finanzaufsicht gewandt und ihr Geschäft durch eine Zusammenarbeit mit der Münchner Fidor-Bank rechtlich gegen Staatswillkür abzusichern versucht.
„Es wäre schon reichlich absurd, wenn nun herauskäme, dass wir seit Jahren keine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung erbringen“,
sagt das Unternehmen nun.
„Dann hätten wir uns in den letzten Jahren viel bürokratischen Aufwand und Geld sparen können.“
Es wird immer deutlicher:
Kryptowährungen weisen eine neuartige Natur auf und fallen nicht automatisch unter bestehende Regularien.
In den USA streiten die Aufsichtsbehörden CFTC und SEC seit Jahren über die Natur der virtuellen Münzen:
- Während die CFTC Kryptowährungen als Rohstoff ansieht,
- neigt die SEC der Einordnung von Kryptowährungen als Wertpapier zu, wenn (!) diese von einer zentralen Stelle herausgegeben werden, wie im Fall Ripple.
- Weiterhin ungeklärt bleibt die Situation beim Bitcoin, der dezentral in einem Netzwerk entsteht.
Professor Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance and Management, sieht nun den Gesetzgeber am Zug: Die Politik müsse endlich Klarheit schaffen über die rechtliche Natur von Kryptowährungen.
„In fünf bis zehn Jahren wird jeder erdenkliche Vermögensgegenstand, als Smart Contract programmiert, auf einem Blockchain-System gespeichert werden können.”