Europa und China gegen Dollar

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Bedeutende historische Wandlungen deuten sich stets verdeckt an. Die Akteure wollen nicht dabei beobachtet werden, wie sie das Steuer herumwerfen. Und es geht konkret um nicht weniger als die Abwendung Europas von den USA und die Hinwendung zu China. Tschüss atlantische Ruine – China, wir machen mit!

Wovon reden wir?

Am 17. März 2015 erklärten Deutschland, Frankreich und Italien, sie würden Großbritannien folgen und sich der chinesisch geführten „Asian Infrastructure Investment Bank“ (AIIB) mit dem Hauptquartier in Peking anschließen. Das tun sie gegen den erklärten Willen der USA.

Natürlich hatten die USA sofort mit Schmutz geworfen und erklärt, die weicheren Darlehensbedingungen der AIIB zugunsten der Darlehensnehmer seien sehr negativ und die Umwelt- und Sozialvorgaben seien unzureichend. Ausgerechnet die USA nehmen derartige Begriffe in den Mund.
Auch Südkorea, die Schweiz und Luxemburg erwägen ernsthaft, sich der AIIB anzuschließen, insbesondere nachdem Deutschland, Frankreich und Italien wie zuvor schon Großbritannien dem US-amerikanischem Druck nicht nachgegeben haben.

Wir werden demnach Zeuge, wie ein weiterer Sargnagel in die Hegemonie des US-Dollar geschlagen wird, und sich die Welt mehr und mehr dem chinesischen Yuan (Renmimbi) zuwendet.

Im Detail:

Erst im Oktober 2014 wurde in Peking die „Asian Infrastructure Investment Bank“ (AIIB) aus der Traufe gehoben (Memorandum of Understanding), die förmliche Gründung erfolgt noch im Laufe des Jahres 2015.

Zum Startkapital in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar steuert China 50% bei.

Die Aufgabe der AIIB ist es, innerhalb Asiens Infrastrukturprojekte zu finanzieren in den Bereichen von Energie, Transport, und Kommunikationstechnologie.
Der Hintergrund ist der rasante wirtschaftliche Aufschwung in Asien. Diesem Aufschwung und dem damit einhergehenden Bedürfnis nach der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen werden weder die Weltbank gerecht noch die „Asian Development Bank“ (ADB). Beide Institutionen werden im Ergebnis von den USA beherrscht, bezüglich der ADB geschieht das über Uncle Sams japanische Marionette.

Die AIIB wird ihre Aktivitäten zum Jahresende 2015 aufnehmen. Damit nimmt die weltweite chinesische Ausbreitung weiter zu. Institutionen wie Weltbank und ADB haben China immer abgeblockt, obwohl das Land zwischenzeitlich die zweitgrößte Wirtschaft der Welt ist. Unangemessen niedriges Stimmrecht Chinas in diesen Institutionen würgte seine Initiativen ab.

Das ist der Hintergrund der aktuellen chinesischen Aktivitäten. Peking spielte eine Schlüsselrolle bei der Begründung der BRICS-Initiative der „New Development Bank“ (NDB) und dem neuen „Silk Road Fund“ (Seidenstrassen Fund). Das alles wurde geschaffen, um die Infrastruktur zu fördern in Entwicklungs- und Schwellenländern. Wenngleich die AIIB nur eine dieser Initiativen ist, scheint sie sehr schnell weltweit Rückhalt zu gewinnen. Mehr als 30 Länder (Stand März 2015) haben bereits ihre Absicht bekundet, der chinesisch geführten Entwicklungsbank als Gründungsmitglieder angehören zu wollen. Und dazu gehören nun auch Deutschland, Frankreich und Italien wie zuvor schon Großbritannien, somit einige der allergrößten europäischen Wirtschaftsnationen.

Warum wohl sind die größten europäischen Wirtschaftsnationen so erpicht darauf, sich an einer Entwicklungsbank zu beteiligen, die asiatische Projekte fördern will? Und das zu allem Überfluß auch noch gegen den Willen ihres „Verbündeten“, den USA?

Natürlich hat jedes dieser europäische Länder auch Sonderinteressen. Aber darüberhinaus eint alle die Überzeugung, daß es erfolgversprechend ist, engere Bindung an China zu suchen, der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt. Eventuelle negative Aspekte würden insoweit mehr als ausgeglichen.

Margot Schüller, Analystin beim deutschen „GIGA Institute of Asian Studies“ meint, alle diese vier europäischen Länder hätten nicht nur starke Verbindungen und Interessen in China. Sie hätten auch langjährige Erfahrungen in der Finanzierung von Entwicklungsprojekten, die sie der neuen regionalen Entwicklungsbank zugutekommen lassen können. Dies betrifft die unbefriedigten Bedürfnisse nach Energie, Transport, Wasser und Kommunikation. Europäische Unternehmen würden an diesen modernen asiatischen Infrastrukturprojekten gern beteiligt sein. Insoweit sollen Türen offen gehalten oder aufgemacht werden.

Die Beteiligung beinhaltet auch eine deutliche europäische Zustimmung zu Chinas Initiativen, globale Entwicklungsförderung zu unterstützen. Natürlich hofft man auch auf anderweitige Vorteile in Form von weiteren Handelsabkommen mit China oder besserem Zugang zum chinesischen Markt für europäische Unternehmen.

China hat mit 4 Billionen US-Dollar nicht nur die weltweit größten Währungsreserven, seine Währung, der Yuan (Renmimbi), ist zu der Währung geworden, die am zweithäufigsten genutzt wird und deren globales Handelsvolumen zwischenzeitlich auf Position 6 geklettert ist – und das, ohne bislang wirklich konvertibel zu sein. Zwischenzeitlich halten die größten europäischen Zentralbanken den Yuan sogar schon im eigenen Portfolio, in der Regel zu Lasten des Dollar.

China durchdringt finanziell auch immer stärker Europa, sei es im Rahmen von Investitionen oder anderweitigen finanziellen Verbindungen. Im Falle Großbritanniens hat China zugesagt, daß London auch in Zukunft ein globales Finanzzentrum bleiben soll. Folglich machen die Britten bei der AIIB mit und möchten am Management beteiligt sein. Wenn schon der „Pudel der USA“ aus London an die Seite Chinas wechselt, wollen die anderen Europäer auch nicht päpstlicher sein als der Papst hinsichtlich ihrer Treue zu den USA. China hat deutlich signalisiert, daß es in verantwortliche Position aufrücken will in Sachen regionaler Verantwortlichkeit, deshalb macht es Sinn für die Europäer, dabei nun mitzumachen.

Um es einfach auszudrücken: Hat man einmal einen Anteil an einer Sache, dann wird man bei Entscheidungsfindungen automatisch eingebunden, und das ist es, was die europäischen Länder bezwecken. Wenn die AIIB funktioniert, wird das zu sich weiter vertiefenden Beziehungen mit China führen und zu einem immer stärkeren Engagement Europas in Asien insgesamt.

Die Integration der Europäer macht aber auch Sinn für China und die AIIB. Die neue Institution steht in Konkurrenz zu Weltbank und ADB. Die Beteiligung der Europäer verschafft zusätzliche Reputation, denn die Europäer bringen jahrzehntelange Erfahrung mit, was wiederum Vertrauen schafft bei den Kreditnehmern, die mit Rat und Tat begleitet werden müssen, um den Projekten zu Erfolg zu verhelfen. Die AIIB darf Nehmerländern nicht erscheinen als bloßes „Trojanisches Pferd“ Chinas.

Diese Sichweise wird aus dem deutschen Finanzministerium bestätigt durch diese Erklärung:

„France, Italy and Germany, in close coordination with international and European partners, are keen to work with the AIIB founding members to establish an institution that follows the best standards and practices in terms of governance, safeguards, debt and procurement policies.“

Nicola Casarini vom römischen „Istituto Affari Internazionali“ drückt klar aus daß China nie verheimlicht hat, das westliche Finanzsystem herausfordern zu wollen. Tatsächlich könnte die AIIB ein ernstzunehmender Rivale werden für Weltbank und ADB.

Zweifellos verstärkt die Existenz der AIIB nun den Druck auf die Weltbank, die Dominanz der USA aufzugeben und den neuen wirtschaftlichen Machtverhältnissen in der Welt sich anzupassen durch die Änderung der Stimmrechte. Je länger das die USA hinauszögern, umso komplizierter wird sich alles für sie gestalten.

Insoweit kann die Beteiligung Europas an der AIIB als ein „Weckruf“ an die USA gewertet werden. Eher war es aber ein Fußtritt in den Allerwertesten der USA als Antwort auf ihre unsinnige Bockadehaltung in der Weltbank.

Es kann uns niemand erzählen, daß die politische Kaste in Europa nicht erkannt hat, daß das dollardominierte Finanzsystem keine Zukunft mehr hat. Sie darf das natürlich nicht eingestehen. Jeder Regierende hofft, daß der Zusammenbruch nicht schon in seiner eigenen Amtszeit stattfindet. Ein sich lösen von den USA darf auch nur behutsam geschehen, um keine Unruhe aufkommen zu lassen.
Und einer dieser behutsamen Schritte ist das stille Knüpfen von Verbindungen in die Institutionen der Zukunft.

Still soll alles geschehen.

Darum fand man die Information über das Ereignis vom 17. März 2015 auch lange Zeit überhaupt nicht in der systemhörigen deutschen Presse.

Halt, das stimmt nicht ganz. Man fand es sogar bei einer öffentlich-rechtlichen Institution, nämlich bei der „Deutschen Welle (DW).
Allerdings war die Veröffentlichung ausschließlich in englischer Sprache verfaßt.

Die Mitteilung von dem Ereignis vom 17. März richtete sich demnach nicht an ihre eigenen deutschen Staatsbürger, sie richtete sich richtig verstanden an die Welt draussen, der mitgeteilt werden soll.

„Wir haben verstanden, das dürfen die Menschen bei uns in Deutschland aber noch nicht wissen. Sie könnten verunsichert sein und in Anbetracht des kommenden Zusammenbruchs des westlichen Finanzsystems in Sachwerte flüchten. Oder vielleicht auch langsam und behutsam direkt in den Yuan.“

An die Amerikaner gerichtet wird Angela Merkel bald wieder sagen, „ich habe Euch doch alle so lieb“.

Das letzte Mal kam dieser Spruch von einem gewissen Erich Mielke – und dann brach alles zusammen.