Euro-Zusammenbruch? – Target-2-System im Krisenmodus

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Deutsche Regierungsbeamte beobachten sorgenvoll, dass es in den vergangenen Monaten im so genannten „Target-2-System“ der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder Ausschläge gab wie auf dem Höhepunkt der Euro-Krise zwischen 2010 bis 2012. In dem Target-2-System wird der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr zwischen den nationalen Notenbanken abgewickelt.

Das Target-2-System gilt auch als Krisen-Gradmesser.

So stiegen die Verbindlichkeiten der italienischen Zentralbank binnen zwölf Monaten um Euro 129 Milliarden auf den Höchststand von Euro 358,6 Milliarden.
Beliebtes Anlageland für italienische Banken und andere Finanzhäuser aus kriselnden Euro-Ländern ist Deutschland. Die Bundesrepublik ist der mit Abstand größte Gläubiger im Euro-Raum. Im November stiegen die Forderungen der Deutschen Bundesbank auf Euro 754 Milliarden und damit knapp sogar noch über den bisherigen Höchststand von August 2012.

„Wir beobachten die jüngste Entwicklung genau, und sie bereitet uns Sorgen“,

heißt es in Berlin unverblümt. Die EZB spielt das Thema herunter. Die Ausschläge seien ein Nebeneffekt ihrer Anleihekäufe.

Aber auch eine andere Deutung ist möglich:

Dass mehr italienische Banken Geld ins Ausland schaffen, könnte auf eine Kapitalflucht hindeuten.

Gründe für das Misstrauen von Investoren gegenüber Italien gibt es jedenfalls reichlich. Kurz vor Weihnachten hat die Regierung ein Bankenrettungspaket beschlossen. Sie will einen Fonds mit Euro 20 Milliarden schaffen. Die Schuldenregelungen der EU-Maastricht-Kriterien? – Wer interessiert sich in der EU noch für verbindliche Regelungen? – Weiss doch jeder, dass das nur Dummenfang war!

Im Fall des Kriseninstituts Monte dei Paschi darf Italien nach den EU-Regeln Staatshilfe eigentlich nicht geben und wenn dann auch nur, wenn zunächst Aktionäre und Gläubiger an den Kosten beteiligt wurden. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt schon mal mahnen:

„Europäische Zentralbank und EU-Kommission müssen konsequent prüfen und sicherstellen, dass die europäischen Regeln von den italienischen Behörden eingehalten werden“,

sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Ob Brüssel der politisch ohnehin angeschlagenen Regierung in Rom die Rettung tatsächlich erschwert… Wer war gleich nochmal dieser Herr Schäuble?

Es ist eines der großen Probleme der Währungsunion: Die Südeuropäer sind von den regelfixierten Deutschen genervt. Die Regierungen drängen auf Flexibilität, auch um angesichts der wirtschaftlichen Probleme das eigene schäbige politische Überleben zu sichern. Die permanenten Regelverstöße sorgen wiederum bei den Nordeuropäern, vor allem den Deutschen, für Frust. Deshalb schlug unser besagter und sich gerade überlebender Herr Schäuble Alarm:

„Wenn wir die Regeln nicht einhalten, fliegt uns die Euro-Zone auseinander“,

sagte er der „Zeit“. Hat das Herr Schäuble demnach auch schon begriffen!

Deutlich sichtbar ist dieser Grundkonflikt in Griechenland. Die Diskussion dreht sich nun schon mehr als ein Jahr lang im Kreis.

Eigentlich bleibe nur das Treffen der Euro-Finanzminister Ende Januar, glaubt ein Insider. Danach käme man zu nah an die Wahlen in den Niederlanden am 15. März. Im Juni schließlich sind Wahlen in Frankreich, im September die Bundestagswahl. Vorher muss eine Lösung her. Bis Juni muss eine neue Hilfstranche auch faktisch ausgezahlt werden. Darüber wiederum muss auch der Bundestag befinden. Vor allem für die Unionsfraktion ist aber die Teilnahme des IWF am Hilfsprogramm zwingend. Der winkt aber ab, wenn es keinen Schuldenschnitt für die Griechen gibt. Damit sitzt die Bundesregierung in der Falle.

 

“Was nun sprach Zeus, die Götter sind besoffen, und der Olymp ist vollgekotzt!”

 

Angesichts dieser Groteske fühlen sich einige in Berlin an die letzte große Krise erinnert, als Griechenland kurz vor dem Ausscheiden aus der Währungsunion stand.

„Das läuft gerade auf eine Wiederauflage von Juni 2015 hinaus“,

fürchtet ein Regierungsmitglied.

“Griechenland muss Reformen durchführen oder die Eurozone verlassen”,

sagt der deutsche Finanzminister laut “The Guardian” vom 4. Dezember.

  • Das aber könnte der Anfang einer Kettenreaktion oder auch die Generalprobe für den Austritt eines großen Euro-Mitgliedslandes wie Italien oder Frankreich sein.
  • Bereitet sich die EZB darauf bereits seit geraumer Zeit vor?

 

Beim Privatsektor liegt der Löwenanteil der griechischen Verbindlichkeiten nicht mehr.

Sollte Griechenland die Eurozone verlassen, wären europäische Banken ausserhalb Griechenlands davon kaum betroffen. Ist das QE also eine heimliche Vorbereitung für die Auflösung der Eurozone?

Blick in die Geschichte:

Nach dem Krieg waren die japanischen Geschäftsbanken – wie hätte es anders sein können – pleite. Die japanische Zentralbank stellte den Banken neues Kapital zu Verfügung, das sie aus dem Nichts als Buchgeld schuf.

Genau dies machten auch das Fed und die EZB während der Finanzkrise von 2008.

Im Gegensatz zum Fed macht das die EZB aber noch immer.

Das könnte durchaus auch gewertet werden als Vorbereitungshandlung für die Krise eines Auseinanderbrechens der Eurozone.

Der Präsident der japanischen Zentralbank in der Zeit nach dem Krieg, nämlich von 1946 bis 1954, Hisato Ichimado, vertrat die Auffassung:

„Es ist besser für die japanische Zentralbank, nicht auf sich aufmerksam zu machen und still und leise zu bleiben wie der Wald bei einer Kultstätte auf dem Land.“

Denn würden die einfachen Menschen verstehen, dass in einer Wirtschaft, die mit einer reinen Papierwährung funktioniert, Geld heutzutage schlichtweg in Computern kreiert werden kann, könnte dies zu unrealistischen Forderungen führen:

Wozu noch arbeiten um Geld zu verdienen? – Wozu Steuern bezahlen?

Mario Draghi verhält sich insoweit wie seinerzeit Hisato Ichimado “im Wald bei einer Kultstätte auf dem Land”.

Sollten Frankreich oder Italien den Euro verlassen, stellt sich die Frage, ob die französischen und italienischen Staatsschulden in französische Franc bzw. italienische Lira konvertiert würden. Sollte die Schulden nicht konvertiert werden, würden diese Länder Geld in einer fremden Währung schulden, die sie nicht selber drucken können. Große Schuldenpositionen in Fremdwährungen verhindern, dass Länder sich aus Geldproblemen unter Einsatz der Geldpresse retten können. Folgerichtig bekommen sie dann die grössten Probleme.

Damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt angekommen: Bei den aktuellen hohen Ausschlägen im Target-2-System.

Target2 ist ein Instrument der EZB und seines italienischen Chefs Draghi, dem wir eine tiefe Verbundenheit zu seinem Heimatland unterstellen dürfen.

Die Target-2-Salden zeigen die Verbindlichkeiten der nationalen Zentralbanken untereinander. In anderen Worten ausgedrückt, schulden Italien und Spanien Deutschland viel Geld; jedoch sind alle Länder gemeinsam haftbar für die Verluste. Im Fall einer Auflösung des Euro werden die Verluste Deutschlands auf alle Mitgliedstaaten verteilt – wenn alle Staaten sich korrekt verhalten und die Bürde übernehmen – dürfen wir da leise Zweifel anmelden?

Das Aufrechterhalten des Ungleichgewichts in Target2 verhindert, dass die italienischen und spanischen Banken ihre Schulden im europäischen Banken- und Finanzsektor streuen.

Kann man sich angesichts dieses Regelwerks nicht ernsthaft die Frage stellen, ob die europäischen Finanzbehörden vielleicht damit gerade die Weichen für das Ende des Euro stellen?

Das gleiche gilt für die großen QE-Programme der EZB. Indem die EZB ungeheure Mengen von europäischen Schuldverschreibungen kauft, schirmt sie den europäischen Banken- und Finanzsektor gegen die Folgen einer Euro-Auflösung ab. Hier könnte tatsächlich der tiefere Grund für die getrennten Wege von Fed und EZB liegen.

Draghi wird das natürlich nie zugeben, aber sollte er sich wirklich noch keine Gedanken zu diesem Thema gemacht haben?

Wenn wir alle politischen und ökonomischen Faktoren in Erwägung ziehen, ist die Auflösung der Eurozone eine reale Möglichkeit.

Und Herr Draghi hat sich vermutlich eher weniger Gedanken darum gemacht, welche finanziellen Verluste dieses Desaster für den einfachen Bürger etwa in Deutschland, Österreich oder den Niederlanden zur Folge haben wird…

…es sei denn, dieser hat ein Offshorekonto ganz weit weg von der Eurozone.

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