Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

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Steigen wir in die Thematik ein mit zwei Fallbeispielen, die auch schon in diversen Internetforen beschrieben worden sind:

Erbschaft: Angenommen, eine in Dubai lebende Person erbt eine Immobilie in den USA. Trotz der Tatsache, daß in den USA aufgrund hoher Freibeträge keine Erbschaftsteuer erhoben wird und keine Steuerpflicht in Dubai besteht, würde für den in Deutschland geborenen Erben dort dennoch die Erbschaftsteuer anfallen.

Schenkung: Hat eine Person nach fünf Jahren in Dubai erfolgreich ein Unternehmen im Wert von USD 5 Millionen aufgebaut und überträgt USD 2,5 Millionen im Rahmen einer Familiengesellschaft an den Ehepartner, fällt auch hier die deutsche Schenkungsteuer an – unabhängig davon, dass weder das Unternehmen noch die beteiligten Personenen aktuelle Bezüge nach Deutschland haben.

Damit ist schon klar, dass wir es mit einem raffinierten steuerlichem deutschen Raubrittertum zu tun haben, gegen den es gilt, sich zu wappnen.

Unter den komplexen Anwendungsbereich der erweiterten beschränkten Steuerpflicht fallen

  1. natürliche Personen,
  2. die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht insgesamt mindestens fünf Jahre als Deutsche unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren (die Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht muß dabei nicht zusammenhängend gewesen sein),
  3. nach dem Wohnsitzwechsel im niedrig besteuernden Ausland ansässig sind
  4. und weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland haben.

Was ist ein „Niedrigsteuerland“?

Das ist nicht einfach ein Land, das als Steueroase gilt. Selbst einige europäische Länder werden als „Niedrigsteuerländer“ bewertet.

Alles ergibt ergibt sich aus einem abstrakten und konkreten Belastungsvergleich:

BERECHNUNG:

Beim Steuerpflichtigen wird pauschal ein Einkommen von € 77.000 unterstellt. Ist bei der Einkommenshöhe die Einkommensteuerbelastung nach dem Steuersystem des neuen Ansässigkeitsstaates um mehr als ein Drittel geringer als die vergleichbare Belastung nach dem deutschen Besteuerungssystem, wird eine niedrige Besteuerung unterstellt. Bei € 77.000 betrug die Steuerbelastung im Jahr 2020 rund 30,3% in Deutschland. Das Fallbeil schlägt demnach zu, wenn im neuen Ansässigkeitsstaat die Steuerbelastung weniger als 20,2% betrüge, also mehr als ein Drittel weniger.

Darüber hinaus wird eine niedrige Besteuerung im Ausland unterstellt, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer Vorzugsbesteuerung (Begriff nicht definiert) seine Steuerbelastung im Vergleich zum Normalniveau „erheblich“ mindern kann.

Der Betroffene hat das Recht ggf. darzulegen, daß seine Steuerpflicht im neuen Ansässigkeitsstaat doch höher ist.

FORTBESTEHENDE WIRTSCHAFTLICHE INTERESSEN IN DEUTSCHLAND

Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat. Was kommt da in Betracht?

Er muß im Inland unternehmerisch tätig sein. Was ist das konkret?

Er muß

 

  1. Einzelunternehmer, persönlich haftender Gesellschafter oder zu mindestens 25% beteiligter Kommanditist eines inländischen Gewerbebetriebs sein oder
  2. zu mindestens 1% an einer inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sein oder
  3. inländische Einkünfte beziehen, die mehr als 30% seiner gesamten Einkünfte oder mehr als € 62.000 ausmachen oder
  4. inländisches Vermögen besitzen, das mehr als 30% des gesamten Vermögens oder mehr als € 154.000 Euro ausmachen.

Falle: Auch wenn die Inlandsinteressen etwa über eine ausländische Zwischengesellschaft gehalten werden (und das bekannt wird) erfolgt die Zurechnung anteilig nach der Beteiligungsquote.

Saust das Fallbeil der erweiterten beschränkten Steuerpflicht runter, wird die „normale” beschränkte Steuerpflicht des Auswanderers in Deutschland für das Wegzugsjahr und die darauffolgenden zehn Jahre modifiziert, indem

  • der Katalog der steuerpflichtigen Einkünfte erweitert und
  • der anwendbare Steuersatz nach Maßgabe des Welteinkommens bestimmt wird (Progressionsvorbehalt).

Nunmehr unterwirft Deutschland bei der jetzt gegebenen „erweiterten beschränkten Steuerpflicht“ zusätzlich alle Einkünfte der Besteuerung, für die es bei Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht ein ausschließliches, keine Entlastungen wegen ausländischer Steuern zulassendes Besteuerungsrecht hat (= Zusatzeinkünfte).

In Verbindung mit § 5 AStG werden auch die Zusatzeinkünfte von ausländischen Zwischengesellschaften dem Steuerpflichtigen zugerechnet.

Demnach wird auf die der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte der durchschnittliche Steuersatz angewendet, der sich für das Welteinkommen des Steuerpflichtigen ergibt. Das den Finanzbehörden offenzulegende Welteinkommen ist dabei bei einer Schattenveranlagung nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln und der Steuersatz nach dem Einkommensteuergrundtarif (max. 45%).

Also:

Deutschland hat steuerliche Fallen aufgebaut, die prinzipiell eines gesitteten Rechtsstaats unwürdig sind. Aber sie existieren nun einmal.

Aber auch hier gilt der Satz: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!

Vor dem Wegzug aus Deutschland, der Abmeldung und der Neubegründung eines Wohnsitzes im Ausland sollte in Deutschland sorgfältig „aufgeräumt“ werden.

Vermögensumschichtungen sind vorzunehmen, es dürfen keine „wesentlichen Inlandsinteressen“ mehr existieren um mithin den Rechtsfolgen des § 2 AStG zu entgehen.

Um mögliche Steuerlasten zu minimieren, empfiehlt es sich, eine vorausschauende Planung zu betreiben. Bestimmte Freibeträge, wie zum Beispiel € 400.000 für Kinder bei Schenkung- oder Erbschaftsteuer alle zehn Jahre, bleiben auch für im Ausland lebende Deutsche bestehen.

NICHT NUR WOHNSITZ – AUCH STAATSBÜRGERSCHAFT WECHSELN

Hilft ein Wechsel der Staatsbürgerschaft und Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft?

Ja, sehr sogar, helfen tut das in vielerlei Beziehung.

Wir helfen gern dabei, vor dem Wohnsitzwechsel alles richtig zu gestalten. Also vor der Aufgabe des deutschen Wohnsitzes und der offiziellen Begründung des neuen Wohnsitzes haben wir Möglichkeiten, Vermögenswerte schenkungsteuerfrei aus Deutschland hinauszutransferieren. Die Immobilie ist ein Sonderfall, am besten ist ein rechtzeitiger Verkauf.

Aber eine, besser zwei Fallen, bleiben bestehen:

Die Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft ändert nichts an der zuvor entstandenen unbegrenzten Steuerpflicht aufgrund der bis dahin bestandenen Anbindung an Deutschland.

Besonders bei der

Erbschaft- und Schenkungsteuer

greift eine erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht, die für Deutsche weiter gilt, die ins Ausland umziehen. Die Dauer dieser Steuerpflicht erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren und ist abhängig vom Zielland des Wegzugs.

Bei Wegzug in ein Niedrigsteuerland: 10 Jahre

Bei Wegzug in andere Länder: 5 Jahre

Die Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft entbindet nicht von bereits entstandenen Steuerpflichten.

Vor dem Wohnsitzwechsel in Deutschland gelebte Jahre bestimmen die Steuerpflicht.

Eine Anschaffung einer ausländischen Staatsbürgerschaft, wie aus der Karibik oder Vanuatu, kann eine Option sein, ist aber im Hinblick auf die Steuerfolgen gleichwohl oft wirkungslos:

Unbeschränkte Steuerpflicht: Deutschen Staatsbürgern kann nach dem Umzug ins Ausland eine ununterbrochene erbschaft- und schenkungsteuerliche Verantwortung treffen.

Die Pflicht setzt nicht voraus, dass die erbringende Person oder das Schenkungsobjekt sich in Deutschland befinden.

Beispiele (siehe ganz oben):

Eine Immobilienerbschaft in den USA, wo hohe Freibeträge eine Erbschaftssteuer oft gar nicht erst entstehen lassen, kann in Deutschland gleichwohl steuerpflichtig sein.

Schenkungsteuerfall: Erfolgt eine Schenkung an den in Dubai lebenden deutschen Staatsangehörigen, etwa durch Einbringung eines Unternehmenswertes in eine Familiengesellschaft, fällt trotz Wohnsitzes und Heirat in Dubai und fehlender direkter Beziehung zu Deutschland die deutsche Schenkungsteuer an.

Selbst die Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft im Rahmen des neuen § 26 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) kann die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nicht aufheben.

Persönliche Freibeträge, wie für Kinder, bleiben weiterhin bestehen und können genutzt werden, auch wenn kein Wohnsitz in Deutschland mehr besteht.

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