Draghis Dezember-Streich

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Der Überraschungsfaktor, den Draghi bislang bereits das ein oder andere Mal hervorgezaubert hatte, das buchstäbliche Kaninchen im Hut also, fehlte am 03. Dezember 2015. Der Dax brach ein.

„Draghi hat zu viel versprochen und weniger geliefert “,

kommentiert Patrick O’Donnell, Investmentmanager bei Aberdeen Asset Management.

Europas Notenbanker blieben mit ihren Beschlüssen weit hinter den Erwartungen der Märkte zurück:

  • Ursprünglich sollte das Anleihe-Kaufprogramm im September kommenden Jahres enden. Nun will die EZB bis Frühjahr 2017 weiterhin monatlich 60 Milliarden Euro durch den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren in den Markt pumpen, wie Draghi in Frankfurt am Main sagte. Allein diese Massnahme erhöht die Versorgung mit Liquidität um respektable 360 Milliarden Euro.
  • Außerdem hat die Zentralbank den Strafzins für Bankeinlagen auf minus 0,3% festgesetzt. Zuvor lag er bei minus 0,2%. Die Banken müssen diesen Zins entrichten, wenn sie Geld bei der EZB parken, anstatt Kredite zu vergeben.
  • Auf der Sitzung des EZB-Rates wurde auch beschlossen, den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von 0,05% zu belassen.
  • Die EZB will demnächst Anleihen von Kommunen und anderen regionalen Gebietskörperschaften kaufen.
  • Neu ist darüber hinaus, dass die Eurohüter künftig die Geldrückflüsse aus fälligen Anleihen in den Kauf neuer Anleihen stecken, um die Schrumpfung ihrer Bilanz zu verhindern.

Draghi will durch den Kauf von Staatsanleihen die Zinsen künstlich nach unten drücken, um den Finanzministern die Kreditaufnahme zu erleichtern. Ein Blick auf die jüngsten Verlautbarungen aus Italien, Frankreich, Portugal und Spanien zeigt jedoch überdeutlich, dass nirgends vom Sparen, dafür umso mehr vom Geldausgeben die Rede ist.

„Der Fiskalpakt, mit dem die deutsche Regierung die Südländer im Gegenzug für die milliardenschweren Rettungsaktionen zur finanziellen Solidität verpflichten wollte, ist zur Lachnummer für wirtschaftshistorische Seminare geworden. Dank der Niedrigzinspolitik werden jetzt Schulden gemacht, dass es nur so kracht. Das Teuflische daran: Je schneller die Schuldenberge und damit der Schuldendienst wachsen, desto größer wird der Druck auf die EZB, die Zinsen niedrig zu halten oder weiter zu senken. Die Niedrigzins-Schulden-Spirale dreht sich immer schneller. Wie die EZB unter diesen Umständen die Zinsen je wieder erhöhen will, bleibt ihr Geheimnis“,

kommentierte die Wirtschaftswoche am Tag der EZB Entscheidung.

Von ernsthaften Deflationsrisiken kann keine Rede sein.

Zwar liegt die Inflation der Euro-Zone unter dem angestrebten Niveau von knapp 2%. Die tiefe Inflation ist aber primär auf den stark gesunkenen Erdölpreis zurückzuführen. Blickt man durch diesen (temporären) Effekt hindurch, ergibt sich eine Kerninflation, die seit einem halben Jahr um rund 1% oszilliert. Das kommt einer Preisstabilität schon recht nahe.

Auch das breit abgestützte Wirtschaftswachstum entwickelt sich besser als erwartet und wird vom Konsum angetrieben. Weshalb die EZB dennoch mit immer neuen Massnahmen aufzutrumpfen versucht, bleibt rätselhaft und nährt den Verdacht, dass die EZB vor allem auf eine Schwächung des Euro abzielt wie auf eine deutlich heftigere Inflationierung als die „knapp 2%“.

Realwirtschaftlich dürften die neuen Massnahmen wenig bewirken. Die höheren Strafzinsen werden keine Bank dazu bewegen, mehr Kredite zu vergeben. Wenn Unternehmen in der Euro-Zone zu wenig investieren, liegt dies weder an zu hohen Zinsen noch an zu geringer Liquidität, sondern am fehlenden Glauben, dass die Währungsunion ihre strukturellen Probleme in den Griff kriegt.

Das zusätzliche billige Geld wird vor allem in Aktien und Immobilien fliessen und dort weitere Ungleichgewichte auftürmen.
Es zeigt sich immer klarer, dass die unerwünschten Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik längst grösser sind als die positiven Folgen:

  • Die Übertreibungen an den Märkten für Vermögenswerte erhöhen die Risiken für die Finanzstabilität;
  • der Zins verliert seine Lenkungsfunktion;
  • Pensionskassen geraten in Bedrängnis
  • und die günstige Refinanzierung verführt Staaten dazu, nötige Reformen aufzuschieben und weiter auf Pump zu leben.

 

Es werden mehr Probleme geschaffen als gelöst.