Draghi holt seine Vergangenheit ein
Um den EZB-Chef Mario Draghi hatte es bereits vor seinem Amtsantritt Diskussionen gegeben.
- Draghi arbeitete zwischen 2002 und 2005 als Vizepräsident bei Goldman Sachs International
- und war für das Europa-Geschäft zuständig.
Goldman Sachs International trägt in letzter Konsequenz die Verantwortung dafür, daß Griechenland Mitglied der Eurozone werden konnte. Die Bank hat Griechenland dabei geholfen, das riesige Haushaltsdefizit des Landes durch Bilanztricks zu verschleiern. Macht derartiges ein mittelständischer Unternehmer, wandert er für etliche Jahre hinter Gitter. Nur durch Urkundenfälschungen durch Goldman Sachs hat Griechenland dem Euro beitreten können.
Natürlich: Draghi bestreitet bis heute, von dem umstrittenen Geschäft gewußt zu haben. Wie soll das auch der seinerzeit für Europa zuständige Chef gewußt haben?
Draghi ist "hochrangig vernetzt", schon seit vielen Jahren. Er ist Mitglied der G30.
Das Internationale Banken-Seminar der Group of Thirty ("G30") findet jedes Jahr zeitgleich mit dem Herbsttreffen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank statt und ist nur für ausgewählte Besucher zugänglich. Hinter der G30 verbirgt sich ein Zusammenschluß führender Banker und Ökonomen, die nach eigenen Angaben Einfluß auf die Entscheidungen im Finanzsektor nehmen wollen. Prominente Mitglieder sind unter anderem hochrangige Vertreter von Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan Chase International, sowie ehemalige und amtierende Zentralbankchefs. Axel Weber, Ex-Präsident der Deutschen Bundesbank, gehört ebenfalls zu der einflussreichen Runde.
Der EU-Ombudsmann Nikiforos Diamandouros hat Ermittlungen gegen Draghi aufgenommen und der Zentralbank einen verbindlichen Fragenkatalog zugeschickt. Bis zum 31. Oktober soll die EZB mitteilen, wie sie Draghis Rolle in der G30 bewertet und ob sie in seiner Mitgliedschaft einen Interessenskonflikt sieht.
Kenneth Haar, dessen Verein "Corporate Europe Observatory" die Beschwerde beim EU-Ombudsmann eingebracht hat, sieht einen klaren Interessenkonflikt zwischen Draghis Mitgliedschaft in der G30 und dessen Amt: „Die EZB nimmt in eine immer größer werdende Rolle bei der Bankenregulierung ein", sagt Haar. „Es sollte uns Sorgen bereiten, dass ausgerechnet ein Mitglied der G30 ihr Chef ist."
Die Zentralbank bestätigte, daß die Fragen des Ombudsmannes bei ihr eingegangen seien.
Die Untersuchung des EU-Ombudsmannes wirft erneut ein Schlaglicht auf die Nähe zwischen
- Banken,
- Politikern
- und Bankenaufsicht.
Bis zur Finanzkrise war es vor allem in den USA und in England üblich, daß hochrangige Banker im Laufe ihrer Karriere zweitweise auch für die Regierung arbeiteten. Besonders Mitarbeiter der US-Investmentbank Goldman Sachs wechselten häufig die Seiten. So arbeitete etwa der ehemalige US-Finanzminister Henry Paulson zuvor als Vorstandsvorsitzender der US-Bank.
Ist es übertrieben, das bestehende Finanzsystem als ein „System mafioser Strukturen“ zu bezeichnen?
Ist es abwegig zu vermuten, daß auch die europäischen Regierungen vor der Aufnahme Griechenlands in den Euro wußten, daß die Dokumente „geschönt“ waren?