Die extremen Kursbewegungen der vergangenen Tage sind am Devisenmarkt unüblich. Analysten vermuten dahinter vor allem den extrem hohen Liquiditätshunger vieler US-Anleger. Daneben gebe es aber auch hausgemachte europäische Probleme. "Generell sehen wir nicht unbedingt eine Stärke des Dollar", erklärt Dresdner-Bank-Volkswirt Rolf Schneider. "Vielmehr sind die jüngsten Kursentwicklungen eher darauf zurückzuführen, daß amerikanische Investoren Gelder repatriieren, weil sie Liquidität brauchen."
Börsianer sehen das ähnlich: "Die Amerikaner ziehen seit Lehman Brothers überall Geld ab." Als die ehemals renommierte US-Investmentbank Mitte September zusammenbrach, notierte der Euro noch über 1,40 Dollar. "Viele vermögende Amerikaner ziehen Gelder ab. Das ist reiner Patriotismus: Die sagen sich, wenn schon Geld verlieren, dann wenigstens vor der eigenen Haustür", erklärte ein anderer Aktienhändler.
Der Chefstratege der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, spricht von der "aggressiven Auflösung" der auf Zinsdifferenzen beruhenden Carry Trades. So hatten sich viele Anleger im niedrig verzinsten Yen verschuldet, um die Gelder dann in höher verzinsten Währungen anzulegen. "Wir haben ungefähr 8.000 Hedge-Fonds weltweit, die haben mit Verlusten bei ihren Vermögenswerten zu kämpfen – bei einem oft sehr hohen Hebelgrad", schlägt Stefan Schilbe, Chefanalyst bei HSBC-Trinkauas in die gleich Kerbe: "Die müssen einfach Vermögenswerte verkaufen, um ihre Verluste auszubügeln." Letztlich würden Dollar-Schulden getilgt. Händler vermuten, daß der Kurseinbruch durch die geringe Liquidität an den Märkten noch verstärkt wird. Von der Auflösung der Carry Trades profitiert derzeit der Yen. Der Euro notierte zum Yen so niedrig wie seit viereinhalb Jahren nicht mehr.
Und der Euro kann zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen werden durch den Wertverfall osteuropäischer Währungen:
Die Währungsturbulenzen in den osteuropäischen Staaten treffen auch die Wirtschaft im Euro-Raum. Eine Zinserhöhung auf 11,5%, wie sie die ungarische Zentralbank am 22. Oktober beschließen mußte, um die eigene Währung zu stützen und die Kapitalflucht aufzuhalten, ist eine Verzweiflungstat. Neben Ungarn erlebt auch Polen derzeit eine scharfe Währungsabwertung gegenüber dem Euro.
Die Turbulenzen in den Nachbarstaaten sind schlimm, gehört doch Osteuropa zu den wichtigsten Absatzmärkten für deutsche und europäische Produkte. Schlimm deshalb auch für “Euroland” was in Rußland derzeit passiert:
Der Rubel rollt nicht mehr
Moskau kämpft gegen Währungsverfall
Rußlands Rubel steht mächtig unter Druck – so sehr, daß sich Regierungschef Wladimir Putin bereits persönlich für ihn stark gemacht hat. Seine Mitbürger sollten doch bitte zweimal darüber nachdenken, Dollar zu kaufen, rief er auf. Die Flucht in die US-Währung sei eine "fragliche Praxis". Noch haben sich zwar keine Schlangen vor den Wechselstuben gebildet, doch Gerüchte über eine radikale Abwertung des Rubels hatten bereits vor wenigen Tagen zu einem kurzem Anflug von Panik geführt. Alle Beteuerungen von öffentlicher Seite, die Währung stabil zu halten, helfen wenig – die Banken können die Nachfrage nach der US-Währung kaum decken. Der Rubel erreichte am 22. Oktober ein Zwei-Jahres-Tief zum Dollar.
Seit dem Georgienkrieg im August hat der Rubel bereits 12% verloren. Der Grund ist freilich weniger die erhöhte Nachfrage besorgter Sparer, als eine Mischung von Faktoren wie der anhaltenden Kapitalflucht ausländischer Investoren und dem Verfall des Ölpreises, der inzwischen auf einem 18-Monats-Tief angelangt ist. Er liegt mit 70 Dollar auch unter dem Niveau, das Rußland braucht, um einen ausgeglichenen Haushalt zu haben.
Ein Ende des Abwärtssogs ist nicht in Sicht. Experten erwarten, daß die russische Währung in den nächsten zwei Monaten bis zu 10% nachgeben wird. Die Zentralbank hält mit Macht dagegen, stützt den Rubel zum offiziellen Währungskorb aus Dollar und Euro und hat die Möglichkeiten für Währungsswaps eingeschränkt. Radikalere Schnitte fürchtet sie, da diese nur weitere Panik in der Bevölkerung schüren und die klammen Banken weiter unter Druck setzen würden.
Um eine schrittweise Abwertung wird die Zentralbank aber nicht umhin kommen, denn die Währung zu stützen, ist teuer. Allein in der vergangenen Woche fielen die russischen Devisenreserven um 15 Milliarden Dollar auf nun 515 Milliarden Dollar. Noch vor wenigen Monaten standen sie bei fast 600 Milliarden Dollar. Die Zentralbank geht inzwischen davon aus, daß sie im kommenden Jahr unter dem Strich statt eines erwarteten Zuwachs von bis zu 120 Milliarden Dollar ein Minus verbuchen muß.
Arkadij Dwarkowitsch, Wirtschaftsberater von Präsident Dmitrij Medwedjew hatte das Abschmelzen der Reserven zur Stützung von Währung und Wirtschaft bereits vor Wochen herunter gespielt: Ein Kissen von mindestens 100 Milliarden Dollar sei genug, ließ er wissen.
Für die russische Führung haben sich die wirtschaftlichen Vorzeichen jedoch in Windeseile geändert. Noch vor wenigen Monaten galt es wegen des starken Stroms der Petrodollars den Druck für eine Aufwertung des Rubel abzufangen: Der bedrohte vor allem die Nicht-Rohstoffexporte, die auf dem Weltmarkt teurer wurden. Weil sich Importe verbilligten, kamen heimische Produkte zudem unter starken Konkurrenzdruck – Symptome der "Dutch Disease", eines Modells, das die verheerenden Folgen des plötzlichen Nordseeölreichtums auf die niederländische Wirtschaft in den 60er Jahren beschreibt. Wie sich die Rubelabwertung auf die Wirtschaft auswirken wird, ist noch unklar. Mit den fallenden Ölpreisen dürfte der Inflationsdruck sinken, doch die Importe werden teurer. Vor allem die Unternehmen, die für den heimischen Markt produzieren – also keine Deviseneinnahmen haben – und es sich in der Vergangenheit leisten konnten, teure Maschinen zum Beispiel aus Deutschland zu kaufen, dürften ihre Investitionen zurückschrauben.
Auch der private Konsum-Boom der vergangenen Jahre, bei dem sich Rußlands Bürger dank des starken Rubels mit ausländischen Produkten eindecken konnten, könnte einen erheblichen Dämpfer erhalten: "Shoppen" wird teurer.
Mexikanischer Peso findet keinen Halt
Stützungskäufe verpuffen
Der Peso hat in den vergangenen Tagen so stark an Wert verloren wie seit 1994 nicht mehr. Mexikos Zentralbank schießt Milliarden in den Markt, um die Heimatwährung zu stützen. Doch den Run aus dem Peso kann sie nicht aufhalten. Der mexikanische Peso, bis September noch eine der härtesten Währungen der Welt, befindet sich im freien Fall. Am Mittwoch verlor die Währung trotz Stützungskäufen der Zentralbank Banxico 3,93% auf den Dollar, wodurch sich der Wochenverlust gegenüber dem Greenback auf 6% summiert. Die US-Währung kostete 13,60 Peso. Selbst gegenüber dem Euro erreicht der Peso Tiefststände. Die Gemeinschaftswährung kostet 17,5 Peso.
Vergangene Woche hatte sich der Peso dank massiver Stützungskäufe der Zentralbank leicht erholen und damit die dramatischen Verluste der Vorwoche wettmachen können. Der Peso hatte in nur fünf Tagen 14% an Wert verloren und damit soviel wie noch nie seit 1994, als die Währung freigegeben worden war. Knapp zwölf Milliarden Dollar hat die Zentralbank seit Beginn der derzeitigen Stützungskäufe aufgewendet, wodurch die Devisenreserven von 84,11 Milliarden auf 72,12 Milliarden Dollar zusammenschmolzen.
Zwischenzeitlich kam so Ruhe zurück, doch mittlerweile macht sich trotz der Interventionen der Banxico Panik breit.
Währungskrise am Kap
Der südafrikanische Rand erlebt einen noch nie erlebten Absturz. Binnen einer Woche ist der Wert der Kap-Währung im Vergleich zum Dollar um fast ein Drittel gesunken. Die Unsicherheit im Zuge der Finanzkrise verschreckt die Investoren. Die Krise ist aber auch hausgemacht.
Beobachter sehen in dem beispiellosen Niedergang der südafrikanischen Währung eine direkte Folge der von der Finanzmarktkrise geschürten weltweiten Anlegerpanik – und der damit verbundenen Flucht internationaler Anlegergelder in die vermeintliche Sicherheit ihrer Heimatmärkte oder amerikanischer Schatzbriefe.
Die Sorge, daß sich Südafrikas Rohstoffexporte im Zuge einer weltweiten Rezession stark reduzieren und sich dies wiederum negativ auf das Wachstum am Kap auswirkt, hat viele Anleger zur Auflösung ihrer Randanlagen bewogen. Daran können auch die vergleichsweise hohen Zinsen am Kap nun nichts mehr ändern, die zuvor die gleichen Anleger zu einem Engagement bewogen hatten.
Als Hochzinswährung hatte der Rand lange Zeit von dem Renditehunger ausländischer Anleger im Rahmen der sogenannten Carry Trades profitiert. In Südafrika liegt der Zinssatz aktuell bei rund 15%. Diese Engagements werden in Zeiten wachsender Unsicherheit jedoch aufgelöst, weil die vom allgemeinen Geldabzug bedingten Währungsverluste die zuvor erzielten Zinsgewinne zunichte machen. Denn was helfen die besten Zinserträge, wenn eben diese Gewinne von den hohen Wechselkursverlusten gleich wieder zerstört werden?
Nachdem der Rand während der nun zu Ende gegangenen Liquiditätsschwemme lange Zeit vom Zinsvorteil Südafrikas und dem hohen Risikoappetit der Anleger profitiert hatte, ist nun das Gegenteil der Fall. Deutlich wird nun, daß die jüngsten Wertverluste bei Hochzins-Währungen wie dem Rand zumindest eine gewisse Berechtigung haben, weil sich die Wechselkurse dieser Währungen, bedingt durch das Engagement risikobereiter Anleger, stark von einer eigentlich angemessenen (niedrigeren) Bewertung entfernt haben. Gegenwärtig werden genau diese Verzerrungen abgebaut, wenn auch in extrem kurzer Zeit, was wiederum zu neuen Übertreibungen in die Gegenrichtung führt.
Gegenbeispiel Panamá – Sicherheit in allen Belangen