Die EZB gibt den Startschuss für einen digitalen Euro
Der EZB-Rat habe beschlossen, eine Untersuchungsphase für das Projekt eines digitalen Euro einzuleiten, teilte die EZB am 14. Juli 2021 mit. Diese Phase soll zwei Jahre dauern.
Bis jetzt ist
Bargeld in Form von Banknoten und Münzen die einzige Form von Zentralbankgeld,
das das Euro-System (EZB und nationale Zentralbanken) direkt ausgibt und das vom Bürger gehalten werden kann. Der digitale Euro würde das Bargeld ergänzen durch eine digitale Form von Zentralbankgeld, das Privatpersonen und Unternehmen für digitale Zahlungen verwenden könnten.
Grundsätzlich ist demnach eine Stärkung der Rolle von Zentralbankgeld denkbar zum Nachteil der Banken. Denn die Guthaben auf den Bankkonten sind kein Zentralbankgeld, das hat der normale Bürger bis heute nur selten verstanden. Auch daraus erklärt sich, warum sich die Banken so schwer damit tun, ihren Kunden zum Nachteil des “Heisse-Luft-Guthabens” auf den Kundenkonten Bargeld faktisch wirklich auszuzahlen.
Wir registrieren eine wachsende Nervosität der Währungsbehörden gegenüber einer Welt, in der Banknoten und Münzen – also gesetzliche Zahlungsmittel – an Bedeutung verlieren, während private Digitalwährungen wichtiger werden. Setzt sich der Trend fort, droht den Notenbanken ein Kontrollverlust im Hinblick auf das zirkulierende Geld.
Weit gediehen sind entsprechende Pläne in China. Dort erkennt das autoritäre Regime in digitalem Geld die Chance, den Überwachungsstaat auszubauen und das Zahlungsverhalten der Bürger zu kontrollieren.
Diese Tendenzen gibt es in der Eurozone aber leider auch.
Grundsätzlich ist digitales Zentralbankgeld weder gut noch schlecht.
• Es kann viel Schaden anrichten, wenn es zur Observierung der Bevölkerung oder zur Durchsetzung möglichst tiefer Negativzinsen missbraucht wird.
• Es kann aber Positives bewirken, wenn es zu niedrigeren Transaktionskosten führt oder auch jenen Menschen digitale Zahlungen ermöglicht, die kein Bankkonto haben.
Alles steht und fällt mit der Umsetzung.
Wer heutzutage etwas einkauft, hat grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten zu bezahlen. Er kann Bargeld verwenden, oder aber eine Karte oder das Smartphone zücken und unbar bezahlen. Für den Kunden macht das keinen Unterschied. Beide Male gibt er Geld. Doch tatsächlich ist das eben nicht das Gleiche.
Denn das Bargeld stammt von der Europäischen Zentralbank. Sie hat es gedruckt und in Umlauf gebracht, sie steht dafür ein. Dieses Zentralbankgeld steht im Gegensatz zum sogenannten Giralgeld der Banken. Das ist das Geld, das auf Konten lagert und per Knopfdruck überwiesen wird. Dieses steht nur in den Büchern der Banken, und nur sie stehen dafür gerade, nicht die Zentralbank.
Der digitale Euro würde, wie bislang ausschliesslich das Bargeld, eine direkte Forderung gegenüber der Zentralbank begründen und wäre deshalb – im Gegensatz zum Bankguthaben – völlig risikolos. Denn eine Zentralbank kann im Gegensatz zu einer Geschäftsbank nicht pleitegehen.
Der digitale Euro würde tatsächlich eine
dritte Form des Geldes schaffen:
Digitales Zentralbankgeld. Dieses würde wie Banknoten und Münzen von der Europäischen Zentralbank stammen, aber sie würde es eben nicht auf Papier drucken oder auf Metall prägen, sondern in digitaler Form ausgeben.
Wenn nämlich irgendwann einmal gar kein Bargeld mehr genutzt würde, verschwände damit automatisch das Zentralbankgeld vollständig aus dem Alltag, und es gäbe nur noch die “heisse Luft” des Giralgeldes der Banken.
„Unsere Arbeit soll sicherstellen, dass Privatpersonen und Unternehmen im digitalen Zeitalter weiterhin Zugang zu der sichersten Form von Geld – dem Zentralbankgeld – haben“,
sagte daher EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Vorstellung des Projekts am 14. Juli.
Bargeld einzige verbliebene europäische Zahlungsart
Bargeld ist derzeit tatsächlich die einzige „europäische“ Zahlungsart.
Bei Kartenzahlungen dominieren die US-Firmen wie Mastercard und Visa, und deren Stellung wird umso mächtiger, je mehr mit Karte gezahlt wird.
„Setzt sich diese Entwicklung fort, könnte die Durchsetzung europäischer Gesetze und der Schutz von Zahlungsdaten europäischer Unternehmen und Bürger schwierig werden“,
schreibt Heike Mai, Expertin für den Zahlungsverkehr bei der Deutschen Bank, in einer aktuellen Analyse. Der digitale Euro stelle daher sicher, dass es in Zeiten nach dem Bargeld weiter eine rein europäische Alternative gäbe.
Gleichzeitig eröffnen sich mit dem digitalen Zentralbankgeld aber auch ganz neue Möglichkeiten. Denn in dem Moment, wo sich jemand einen digitalen Euro beispielsweise auf sein Handy lädt, hat er ein Konto direkt bei der Europäischen Zentralbank. Und da derzeit fast alle Zentralbanken auf der Welt an entsprechenden digitalen Formen ihres Bargelds arbeiten, könnten Verbraucher dann in absehbarer Zeit innerhalb von Sekunden und völlig kostenlos Geld selbst in ferne Länder schicken, von dem Konto bei der EZB
- zu einem Konto bei der amerikanischen Fed,
- der Schweizerischen Nationalbank
- oder beispielsweise der Zentralbank von Botswana.
Wozu dann noch Banken?
Der digitale Euro könnte das gesamte Bankensystem in seiner bisherigen Form infrage stellen. Denn wenn jeder sein Geld in unbegrenzter Höhe bei der Europäischen Zentralbank lagern kann, wozu braucht er dann noch eine Bank? Bankeinlagen könnten in beträchtlichem Umfang in den digitalen Euro abfließen, vor allem dann, wenn das Finanzsystem kriselt, wie dies beispielsweise 2008 der Fall war. Kunden könnten dann massenhaft ihr Geld zur EZB verlagern und den Banken entziehen – im Handumdrehen wären diese Pleite.
Viele Fragen sind noch offen.
Eine davon lautet, wie sichergestellt werden kann, dass ein digitaler Euro eher als Zahlungsmittel denn als Investition verwendet wird. Denn wenn die Marktteilnehmer in grosser Zahl ihre Bankkonten räumen und in digitale Euro investieren würden, könnte dies das Bankensystem ins Wanken bringen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dies zu verhindern.
- Eine davon ist eine Obergrenze von zum Beispiel Euro 3.000 für den Betrag, den jemand in digitalen Euro halten könnte.
- Eine andere ist die Nutzung von Abschreckungen, etwa Negativzinsen auf höhere Beträge.
Der digitale Euro könnte de facto demnach nur als Zahlungsmittel eingesetzt werden, aber leider nicht als Wertaufbewahrungsmittel.
Doch mit einer solchen Beschränkungen auf die ausschliessliche Funktion als Zahlungsmittel eröffnen sich gleich wieder neue Probleme. Denn dann ist fraglich, ob sich der digitale Euro überhaupt noch für internationale Zahlungen eignet, wo meist weit höhere Summen als lächerliche Euro 3.000 transferiert werden. Vielleicht nutzt er dann etwas bei einem Amazon-Einkauf oder bei Überweisungen von Migranten aus Europa in ihre Heimatländer…
Weitere Fragen
Zu den weiteren offenen Fragen gehört, ob der digitale Euro über ein zentrales oder dezentrale Register geführt werden würde, und ob er stattdessen oder zusätzlich in Smartphones und anderen Endgeräten von Nutzern gespeichert und damit in einem gewissen Umfang auch für Offline-Zahlungen verwendet werden könnte.
Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Direktoriums, erwartet im Anschluss an die zweijährige Untersuchungsphase eine Implementierungsphase von etwa drei Jahren. Es wird somit noch Jahre dauern, bis im Euro-Raum erstmals digitales Zentralbankgeld ausgegeben werden kann.
Nach Einschätzung Panettas wird die Einführung eines digitalen Euro voraussichtlich auch Änderungen des gesetzlichen Rahmens erfordern.
Damit werden politische Entscheide nötig.
Und hier beginnt es dann kritisch zu werden hinsichtlich von Versuchungen, dem “gläsernen Bürger” erneut näher zu kommen.
Ebenfalls am 14. Juli hielten deshalb die Finanzministerien von Deutschland und Frankreich in einer gemeinsamen Erklärung fest, die Lancierung des digitalen Euro sei auch abhängig von einem von den Mitgliedstaaten zu treffenden politischen Beschluss.
Wohin also geht die Reise?
Einen Hinweis gab bereits am 19. Oktober 2020 auf einer vom Internationalen Währungsfonds veranstalteten virtuellen Panel-Diskussion mit dem Titel „Cross Border Payment – A Vision for the Future“ Augustin Carstens, Generalsekretär der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Die BIZ ist das Spitzeninstitut der Zentralbanken. Sie organisiert die Arbeitsgruppe der Zentralbanken, die die Grundsätze für die Ausgabe von digitalem Zentralbankgeld (CBDC) entwickelt. Was also sagte Herr Carstens?
„In unseren Analysen zum digitalen Zentralbankgeld für die allgemeine Nutzung neigen wir dazu, von einer Äquivalenz zu Bargeld zu sprechen. Aber es gibt einen großen Unterschied. Zum Beispiel wissen wir beim Bargeld nicht, wer heute eine 100-Dollar-Note nutzt, oder einen 1000-Peso-Schein. Ein entscheidender Unterschied zum CBDC ist, dass die Zentralbanken absolute Kontrolle über die Regeln und Regulierungen haben werden, die die Nutzung [des digitalen Zentralbankgelds] regeln. Und wir werden auch die Technologie haben, das durchzusetzen. Diese beiden Aspekte sind sehr wichtig und machen einen riesigen Unterschied gegenüber dem Bargeld aus.“
Er sagte im weiteren Verlauf auch noch, dass niemand das digitale Zentralbankgeld nutzen könne, dem die Zentralbank das nicht gestatten möchte.
Zu dem Thema haben wir bereits eingehend, dargelegt, welche Probleme für Freiheitsrechte im Hinblick auf den “gläsernen Staatsbürger” am Horizont erkennbar sind.
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