Es läuft darauf hinaus, dass bis 2012/2013 aus demokratischer Sicht das Pferd von hinten aufgezäumt wird:
Erst werden die notwendigen Maßnahmen getroffen, um die Krise zu meistern, und dann erst wird in einem zweiten Schritt die demokratische Legitimation dafür geschaffen.
Nach der Definition des grossen deutschen Verfassungsrechtlers Carl Schmitt ist das Revolution. Revolutionen finden typischerweise statt nach Kriegen, Bürgerkriegen und schwersten Krisen. Letzteres Szenario durchleben wir derzeit. Die schwere Weltfinanzkrise ist der Boden der aktuellen Revolution.
Ist das zu weit hergeholt?
Kernstück der freiheitlichen Verfassungen der europäischen Länder ist die Hoheit des jeweiligen nationalstaatlichen Parlamentes über den Staatshaushalt. So rangen die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes einst den Herrschern Freiheitsrechte ab. Auf der Hoheit über den Staatshaushalt fußt die parlamentarische Demokratie.
Dieses Kernstück unserer Demokratie wird nun klammheimlich verschoben auf die demokratisch nicht legitimierte Funktionärskaste der EU-Bürokraten in Brüssel. Da entstehen Machtmonster ohne demokratische Legitimation. Das ist ein Alptraum für jeden freiheitlich denkenden Demokraten. Aus der Sicht eines freiheitlich verfassten Staates wie Deutschland ist das „Konterrevolution“, was wir gegenwärtig erleben. Die politische Kultur fällt zurück auf den Status, wo ein nicht kontrollierter Herrscher im Ergebnis machen kann, was er will. Das ist zwar kein König mehr mit Krone auf dem Haupt. Aber wer garantiert uns, dass ein mächtiger glatzköpfiger EU-Bürokrat eine geringere Gefahr darstellt?
Genau das passiert derzeit. „Konterrevolution“ ist „Revolution“. Es werden neue Fakten geschaffen. Diese werden geschaffen, weil sich niemand dagegen wehrt. Oder fast niemand. Wir haben großen Respekt vor dem Freiburger Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek, der derzeit für seinen Mandanten in dieser Frage vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe streitet. Professor Murswiek wird sich keine Illusion darüber machen, dass in Karlsruhe die Revolution gestoppt werden wird. Das wird nicht geschehen. Die „normative Kraft des Faktischen“ wird sich durchgesetzt haben in unserer aktuellen rasanten Epoche, bevor die Herrschaften in Karlsruhe auch nur tief durchatmen konnten. Dietrich Murswiek wird sich den Verdienst erwerben, durch sein Auftreten vor dem Verfassungsgericht den Rechtshistorikern wertvolles Material bereitzustellen für die Lehre von Revolutionen.
Wir wollen an dieser Stelle nur festhalten, dass das, was jetzt geschieht, Revolution „ist“. Ob wir diese Revolution positiv oder negativ bewerten, ob wir für den Verfassungsbruch und damit die Revolution sind, ist eine völlig andere Frage.
Es entsteht eine neue Form der Staatlichkeit in Europa. Die einzelnen Staaten Europas verdämmern zu blossen Bundesstaaten. Es entsteht die neue Staatlichkeit „Euroland“. Diese wird einen neuen Faktor der Weltpolitik darstellen, was für einen, das wissen auch wir noch nicht.
Ein wichtiges Instrument der neuen Staatlichkeit von Euroland entsteht gerade in diesen Tagen:
Die „Eurobonds“ rücken in die Diskussion. „Eurobonds“ sind Anleihen, die für alle Euroländer sowie auch die EU-Mitgliedstaaten, die sich an diesem System beteiligen wollen, aufgelegt werden.
Wenn die Anleger erst einmal verstehen werden, was sich hinter der Debatte über die Einführung von Eurobonds überhaupt verbirgt, wird die Blase der Schulden der westlichen Staaten schneller platzen als sich dies bisher jemand vorstellen kann. Denn spätestens ab Ende 2011 werden vor dem Hintergrund der dauerhaften Einrichtung des europäischen Rettungsfonds in Sachen Eurobonds die Karten auf den Tisch gelegt werden. Dann werden Spekulanten, die massiv griechische und irische Anleihen sowie Anleihen von anderen insolvenzverdächtigten Eurozonenländern gekauft hatten, zu ihrer Überraschung feststellen, dass die europäische Solidarität für sie nicht gelten wird.
Es ist davon auszugehen, dass die Lösung der Schuldenkrise darin liegen wird, den Anlegern aufzuerlegen, ihre Staatsanleihen in Euro-Anleihen umzutauschen, deren Zinsen und Rückzahlung von allen Euroländern garantiert werden. Die Zinsen für „Euro-Bonds“ werden deutlich niedriger sein, und der Umtausch würde nur mit einem Abschlag von 30% bis 50% erfolgen. Zu den ersten Opfern werden nicht zuletzt europäischen Banken gehören; das wäre sozusagen „Wertberichtung von Bilanzpositionen im Ersatzvollzug“.
Es ist sehr gut möglich, dass einigen staatlichen, privilegierten Gläubigern wie China, Russland und den Erdöl exportierenden Ländern ein Tausch zu besseren Bedingungen angeboten werden wird. Für sie wird die ganze Aktion damit insgesamt sehr positiv zu Buche schlagen. Denn mit einem Schlag würden ihre unsicheren Anlagen in sichere umgewandelt.
- Europa steht mitten in einer Revolution, und keiner merkt es.
- Aber die Revolution wird den Euro retten.
Wer sein Vermögen einstweilen ausserhalb des Territoriums, auf dem die Revolution tobt, anlegt, trifft mit hoher Sicherheit eine sehr weise Entscheidung.