An jedem späten Nachmittag ab 17 Uhr setzt sich eine große Kolonne von Fahrzeugen in Colón am Karibikende des Panama-Kanals in Bewegung. Tausende von Autos quälen sich über die einzige mautpflichtige Straße nach Panama-Stadt. Viele Menschen, die in der Freihandelszone von Colón oder auf einem der großen Containerterminals einen Job haben, ziehen es vor, in der Hauptstadt zu wohnen. Und sie pendeln mühsam tagtäglich die 80 Kilometer zwischen den beiden Ozeanen hin und her.
Um Amerika zu durchqueren, haben die Menschen schon immer die schmalste Stelle des Kontinents in Panama benutzt – zunächst zu Fuß, dann auf Pferden und mit Kutschen. Später bauten sie einen Schienenstrang, um ab 1855 mit Zügen größere Waren von Schiff zu Schiff transportieren zu können. Dieser erste Schienenweg der Panama Railroad liegt mittlerweile über weite Strecken unter Wasser. Über ihn fahren die großen Schiffe hinweg: auf dem Kanal und im aufgestauten Gatun-See.
Im 19. Jahrhundert befand sich das Zentrum des Transportes über den Isthmus auf der karibischen Seite Panamas, das damals ein Teil Kolumbiens war. Dort, in Colón im Gebäude des heutigen Hotels "Washington", residierte die Eisenbahngesellschaft und steuerte den interozeanischen Transport auf der Schiene. Der schnellste und bequemste Weg von San Francisco nach New York führte durch Panama.
Schnellste Verbindung zwischen den Ozeanen
Die Bahn war so gefragt und erfolgreich, dass die Aktien der Panama Railroad eine Zeitlag die teuersten an der New Yorker Börse waren. 1913, ein Jahr bevor der Panama-Kanal in Betrieb genommen wurde, transportierte die Bahn fast drei Millionen Passagiere und mehr als zwei Millionen Tonnen Waren. Ohne die Bahn und deren Transportkapazitäten hätte der Kanal niemals gebaut werden können.
Der Transport von Passagieren – überhaupt erst seit sechs Jahren wieder möglich – ist heute sehr bescheiden: Ein einziger Zug fährt morgens von Panama-Stadt nach Colón und abends wieder zurück. Es ist die schnellste Verbindung zwischen den Ozeanen. 57 Minuten benötigt der Luxuszug der ersten Klasse, um über den Isthmus zu fahren. Auf der stets verstopften Straße benötigen die Reisenden unter Umständen zwei Stunden und mehr. Die Schiffe auf dem Kanal schaffen es – allerdings nach einer tagelangen Wartezeit draußen vor den Zufahrten zum Kanal – in rund acht Stunden.
Kaum ist der Zug losgefahren, werden die Laptops aufgeklappt. Für die Händler aus der Freihandelszone in Colón ist der Zug mit seinen heruntergekühlten Waggons ein idealer Treffpunkt, um mit Einkäufern und Partnern noch Feinabstimmungen zu besprechen, Preise zu vergleichen und Angebote vorzulegen. Durch die großen Fenster können sie dabei das Grün des tropischen Waldes genießen. Immer wieder öffnet sich der dichte Vorhang und gibt den Blick frei auf den Gatún-See, über den die großen Dampfer gleiten. An einigen Stellen gleitet auch der Zug, mitten durch den See, auf einem Damm knapp über die Wasseroberfläche dahin.
Kosten:
Der Zug verfügt nur über Wagen der Ersten Klasse und ein Restaurant. Getränke und Speisen werden in allen Wagen serviert. In einigen Bereichen verfügen die Waggons über offene Fenster. Hier kann man zusätzlich die feuchte Hitze der Tropen genießen. Eine einfache Fahrt kostet 22 US- Dollar.
Entnommen dem SPIEGEL vom 27. Januar 2007