Dezentral organisiertes Geldsystem
Genau das entsteht derzeit im Internet: Zahlungsmittel, die von Zentralbanken und Nationalwährungen wie Franken, Euro und Dollar losgelöst sind. Die erfolgreichste Internetmünze ist Bitcoin. Die Technologie bedeutet für die Banken eine ähnliche bedrohliche Revolution wie Uber für die Taxiwelt. Bitcoin braucht keine Instanz, um Transaktionen durchzuführen. Das erledigt und kontrolliert die Onlinegemeinschaft.
Aktuell sind 14,5 Millionen digitale Münzen im Wert von 3,5 Milliarden Franken im Umlauf, die insgesamt benutzt werden.
Das Café Stoffel in Zürich etwa bietet Kaffee für 0.02 Bitcoins an; in Kalifornien ein Autohändler Teslas für 530 Bitcoins. Die höchsten Beträge werden aber nicht für Güter ausgeben, sondern beim Überweisen von Guthaben oder beim Spekulieren an den Börsen. An Spitzentagen kommen 200’000 Bitcoin-Deals im Wert von rund 100 Millionen Franken zustande.
ABER
Die Visa-Karte allein verarbeitet jede Sekunde 56’000 Transaktionen, d.h. in weniger als vier Sekunden gleich viel wie die Bitcoin-Gemeinschaft an einem Tag. Noch steht also alles am Anfang. Aber mit enormem Potential!
Die Firma Monetas – vielleicht die fortschrittlichste Transaktionsplattform der Welt – kommt allmählich in Fahrt. Im Frühling schossen Investoren sechs Millionen Franken ein. Kürzlich wurde der erste Deal mit einer afrikanischen Post unterschrieben. Ab Ende Oktober werden Millionen von Afrikanern dank der Monetas-Banking-App Geld hin- und herüberweisen können. Transaktionsgebühren würden auf einen Tausendstelrappen gedrückt. Ein Bruchteil davon, was Banken verlangen.
Monetas ist nicht die erste Bitcoinfirma, die sich im Schweizerischen Zug angesiedelt hat. Mittlerweile sind es ein gutes Dutzend. So viele, dass Zug den Übernamen Crypto Valley erhalten hat. Eine Anlehnung an das kalifornische Silicon Valley und an die Verschlüsselungsverfahren von Digitalwährungen. Am anderen Ende der Baarerstrasse, dort, wo sie zur Zugerstrasse wird, sitzt etwa die Bitcoin Suisse AG.
Die Technologie hinter Bitcoin ist genial. Bitcoin trägt jede Transaktion in eine öffentliche Liste ein. Identische Versionen dieser Liste – in der Fachsprache Blockchain genannt – sind auf Tausenden Computern weltweit verteilt. Wenn jemand in Zug die Behandlung beim Zahnarzt mit Bitcoins bezahlen will – tatsächlich akzeptiert die Praxis Abbas Hussain an der Bahnhofstrasse als erster Zahnarzt in der Schweiz Bitcoins –, dann geschieht Folgendes: Per Smartphone-App meldet der Gast der Blockchain, dass er ein Bitcoin überwiesen hat. Umgerechnet 230 Franken. Der erste Computer trägt die Transaktion in die öffentliche Liste ein. Weltweit wird die Überweisung in allen Listen gegengecheckt. Erst wenn sich über die Hälfte der Computer über den neuen Listenzustand einig ist, wird die Transaktion endgültig genehmigt.
Die grossen Kursfluktuationen von Bitcoin sind vorbei. Das macht die Digitalwährung für vermögende Menschen interessant, gerade in Zeiten von Negativzinsen.
Wer zu Fuss die wenigen Kilometer geht, die die beiden Firmen Bitcoin Suisse AG und Monetas trennen, wähnt sich in einem Vorort von San Francisco. Die schnurgerade Strasse könnte auch in Palo Alto liegen, dem Standort des Technologieriesen Apple. Das obligate Starbucks ist da, mit Gästen, die rund um die Uhr vor ihren Laptop-Bildschirmen sitzen. Auf der Strasse hört man telefonierende Passanten auf Englisch über Investments reden. Und im Pier 41, einer Bar gleich neben dem Bahnhof, werden Löhne von Software-Programmierern verglichen.
In der Baarerstrasse siedeln sich immer mehr Bitcoin-Firmen an. Die grösste ist Xapo. Seit dem Frühling 2015 ist sie in Zug ansässig. Die US-Firma hat 41 Millionen US-Dollar von Investoren erhalten, um ein Bitcoin-Portemonnaie zu entwickeln. Unter den Geldgebern ist zum Beispiel Max Levchin, Mitgründer von Paypal.
Man kann Bitcoin mit Gold vergleichen.
Die Währung Bitcoin ist auf maximal 21 Millionen Digitalmünzen beschränkt. Der Code jedes Bitcoins wird von Computern in immer aufwendiger werdenden Rechenverfahren generiert. Das letzte Bitcoin wird voraussichtlich im Jahr 2140 hergestellt.
Xapo ist eine digitale Goldbank. Die Firma bunkert das Geld ihrer Kunden auf Servern in ehemaligen Schweizer Militärbunkern in den Alpen. Wo genau, wird nicht verraten. Nur so viel: Vor jeder Anlage steht eine bewaffnete Wache. Denn der einzige Weg, Bitcoins zu stehlen, so Herr Rodgers von Xapo, sei, die physischen Server mitgehen zu lassen. Die Verschlüsselung hingegen sei unknackbar.
Der Schritt in die Schweiz war für die Macher digitaler Währungen logisch. Die Schweiz habe Erfahrung darin, Gold zu lagern.
Der wichtigste Grund seien aber die Signale vom Schweizer Bundesrat gewesen:
Die Schweizer Regierung hat ein Bekenntnis zu Bitcoin abgegeben.
Nach Postulaten im Nationalrat liess der Bundesrat einen Bericht über digitale Währungen erstellen, der am 14. Juni 2014 erschienen war. Die Botschaft:
Man werde Bitcoin-Firmen keine regulatorischen Steine in den Weg legen.
Im Gegenteil, sie werden gar gefördert. Während die USA, Deutschland oder England auf jeglichen Bitcoin-Handel eine Steuer erheben, also auch dann, wenn Bitcoins gegen Dollar, Euro, Pfund gewechselt werden, sind die diversen Wechselbörsen in der Schweiz von der Mehrwertsteuer befreit.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht verzichtet weiterhin auf eine Bewilligungspflicht für den Bitcoin-Handel. Überhaupt werden die Kritiker immer weniger. Erst recht, seit die Banken selber die Blockchain entdeckt haben.
Dass sie die Blockchain nicht im Interessen ihrer Kunden nutzen wollen, sondern allein zum Zwecke der Gewinnmaximierung, steht auf einem anderen Blatt – und in einem anderen Beitrag auf dieser Website.
Bitcoin kommt voran. Die Schweiz hat die Zukunft von Bitcoin erkannt. Und am Zuger See ist Bitcoin zwischenzeitlich Kult.