Weil Bitcoin immer populärer wird, überlegen sich immer mehr Regierungen weltweit, wie sie mit der künstlichen Währung umgehen sollen.
“Es ist wie bei der Luftgitarre”, sagt Jon Matonis. “Sie existiert nur, weil alle Beteiligten daran glauben.”
Matonis ist Geschäftsführer der Bitcoin-Stiftung und damit Cheflobbyist einer Währung, die – wie die Luftgitarre – physisch nicht existiert. Und dennoch sind im Moment jeden Tag Zehntausende von Menschen bereit, über 1000 real existierender Dollars gegen eine Einheit der Luftgitarren-Währung zu tauschen.
Für Aussenstehende ist das Phänomen schwer verständlich.
- Es gibt Börsen, an denen reales Geld in Bitcoins getauscht werden kann
- und Bancomaten, die Bargeld gegen elektronisches Bitcoin-Guthaben wechseln.
- Es gibt Online-Shops, die Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren
- und in gewissen Gegenden – Berlin Kreuzberg etwa – auch mehrere Geschäfte, in denen man mit Bitcoins bezahlen kann.
Das virtuelle Geld muß einfach via Smartphone-App von einem elektronischen Portemonnaie ins andere verschoben werden. Das alles ist attraktiv: Verglichen mit Kreditkartenzahlungen fallen kaum Gebühren an. Allerdings schwankte der Wert eines Bitcoins t zeitweise noch stark, Mitte des Jahres 2015 kann man aber von einer gewissen wertstabilität sprechen, was natürlich nicht so bleiben muss.
Bitcoin wurde 2008 von einem anonymen Programmierer entwickelt, basierend auf einer politischen Ideologie:
- Die Währung sollte ohne Einmischung eines Einzelnen – oder eines Staates – existieren.
- Sie sollte günstig und ohne Mittelsmann austauschbar sein, auch wenn sich die Beteiligten weder kennen noch vertrauen.
- Und sie sollte die finanzielle Privatsphäre garantieren: Wer wie viel davon besitzt und wofür er es ausgibt, sollte niemanden etwas angehen.
- Es sollte eine Währung sein, die ähnlich funktioniert wie Gold.
Statt von einer Zentralbank wird das System darum von einem dezentralen Netz aus den Computern von Freiwilligen betrieben – einer modernen Spezies der Goldgräber. Diese beteiligen sich an einer Art Lotterie: Im Wettlauf mit anderen sollen ihre spezialisierten Computer möglichst schnell ein mathematisches Rätsel lösen. Je schneller der Computer, desto größer die Chance, die Lösung als Erster zu finden. Trotzdem entscheidet am Ende der Zufall. Der Gewinner erhält den fiktiven Rohstoff – neue Bitcoins.
Es entstand ein wahrer Bitcoin-Rausch: Die Computer, deren einziger Zweck es ist, Bitcoins zu schürfen und das System zu unterhalten, besitzen bereits über hundertmal so viel Rechenleistung wie die 500 schnellsten Supercomputer der Welt. Sie verbrauchen dabei rund 110’000 Megawattstunden Strom pro Tag – so viel wie 24.500 Schweizer Haushalte in einem Jahr.
Als Nebenprodukt dieses Wettlaufs bewirtschaften die Computer ein öffentliches Register, in dem jede Transaktion gespeichert ist, die jemals mit Bitcoins gemacht wurde. Anhand des Registers überprüfen immer mehrere Rechner gleichzeitig eine Überweisung auf ihre Legitimität.
“Das macht das System so sicher”, sagt Bitcoin-Experte Matonis.
Die steigende Popularität von Bitcoin hat Regierungen auf der ganzen Welt aufgeschreckt. Nicht nur die USA und China beschäftigen sich damit, ob und wie sie mit Bitcoin umgehen wollen.
Das Bitcoin-Programm basiert auf einer Geldtheorie und auf ökonomischen Kriterien. Zum Beispiel ist die Geldmenge nach oben beschränkt: Bis ins Jahr 2040 werden maximal 21 Millionen Bitcoins ausgegeben. Dadurch steigt der Wert einer Einheit automatisch, je mehr Menschen sich dafür interessieren. Das macht Bitcoin attraktiv in Ländern, in denen Inflation herrscht und der Kapitalverkehr beschränkt ist – wie etwa in Argentinien.
Trotz aller Kritik gibt es eine Diskussion darüber, was für einen Platz virtuelle Währungen in der realen Welt einnehmen könnten. Das Bitcoin-System wurde bereits Dutzende Male kopiert, das Portal Coinmarket.com listet 36 ähnliche virtuelle Währungen auf. Keine davon ist im Moment auch nur annähernd so groß wie “Bitcoin”. Aber alle versuchen, Schwächen von Bitcoin auszumerzen – und sei es nur der exzessive Stromverbrauch.
- In der Funktion als Überweisungsplattform sehen viele Experten den wahren Wert einer virtuellen Währung: In der Möglichkeit, extrem günstig und barrierefrei Geld in die ganze Welt zu verschicken.
- Und das, ohne elektronische Spuren zu hinterlassen.