Auch Steuersünder dürfen über ihr Konto verfügen

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Wichtiges Urteil für alle, die noch sog. „undeklariertes“ Geld auf einem Schweizer Bankkonto liegen haben.

Denn ab dem kommenden Jahr 2017 sammelt auch die Schweiz im Rahmen des automatisierten Informationsaustausches – AIA – alle Kontodaten und sendet die gesammelten Daten ab 2018 an die staatlichen Stellen des Wohnsitzstaates ihrer Kunden.

Noch kann man entkommen!

Ausländische Steuersünder sind auch Menschen und haben ihre Rechte.

Dies illustriert ein neues Urteil des Genfer Kantonsgerichts (Cour de Justice). Das Gericht verurteilte mit seinem Entscheid vom 2. Dezember die Schweizer Bank BNP Paribas Suisse dazu, den Auftrag eines französischen Kunden vom Dezember 2013 zur Überweisung seiner Bankguthaben von rund € 600 000 in ein Drittland auch ohne steuerliche Offenlegung auszuführen. Ursprünglich wollte der Kunde eine Überweisung nach Dubai, wenig später wählte er die niederländische Bank ABN Amro in Amsterdam als Bestimmungsort.

BNP Paribas hatte sich geweigert, den Auftrag auszuführen, weil der Kunde einer Aufforderung zum Nachweis der ordentlichen Versteuerung der Gelder nicht nachgekommen war. In der Folge ging der Kunde vor Gericht. Die Bank hatte unter anderem argumentiert, dass sie sich bei Ausführung des Auftrags nach französischem Recht wegen Beihilfe zu Geldwäscherei schuldig machen würde.

Doch vor Gericht ist die Bank damit abgeblitzt. Das Genfer Kantonsgericht hat nun in zweiter Instanz die Lesart der Erstinstanz bestätigt und dem Bankkunden recht gegeben. Eine Kernüberlegung des Gerichts: Seit Beginn der Kundenbeziehung (1997) habe sich der Rechtsrahmen in Frankreich nicht entscheidend geändert; schon die erstmalige Akzeptierung von undeklarierten Geldern sowie deren Aufbewahrung und Verwaltung durch die Bank könnten nach französischem Recht als Beihilfe zu Steuerbetrug und Geldwäscherei ausgelegt werden. Die Bank sei daher das Risiko strafrechtlicher Verfolgung in Frankreich schon früher eingegangen. In der Lesart des Gerichts ändert die Ausführung des besagten Überweisungsauftrags nichts Wesentliches am Rechtsrisiko des Instituts.

Die Finma steht nicht im Weg

Entgegen der Argumentation der Bank betonte das Gericht auch, dass

  • weder der Schweizer Rechtsrahmen
  • noch Weisungen der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) die vom Kunden gewünschte Überweisung verunmöglichten.

 

Der von der Bank angerufene Artikel 119 des Obligationenrechts („Unmöglichwerden einer Leistung“) zieht deshalb laut dem Urteil nicht.

  • Auch der Verweis der Bank auf das Gesetz über das internationale Privatrecht überzeugte das Gericht nicht.

 

Die Genfer Richter verwiesen auf frühere Bundesgerichtsentscheide, wonach Kollisionen mit ausländischem Recht nicht unbedingt genügten, um in der Schweiz die Ausführung von Kundenaufträgen zu verweigern.

Auch der „moralische Aspekt“ rechtfertigt im vorliegenden Fall die Verweigerung nicht, wie das Gericht mit Verweis auf das politische Klima im Inland betonte. So sei der Bundesrat in den letzten Jahren mit Vorschlägen zu erweiterten Sorgfaltspflichten der Banken in Sachen Steuertransparenz mehrmals gescheitert.

Die NZZ berichtete am 13. Dezember 2016 von dem Urteil.