Analyse: Warum der Euro nicht mehr zu retten ist

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  • Deutschland droht gem. einer Studie des Ifo-Instituts im Worst-Case-Szenario ein Einbruch der Wirtschaftsleistung von 20%.
  • Das wäre sehr schlimm.
  • Aber die europäischen Südländer Italien, Spanien und Griechenland wären glücklich, kämen sie damit davon.

 

Italien

Italien hat bereits aktuell einen Schuldenberg von Euro 2,4 Billionen, das heißt in Höhe von 130% der Wirtschaftsleistung. Das ist vergleichbar mit einem Fussballverein, der unbedingt das Spiel gewinnen muss, aber zur Halbzeit mit 0 : 8 im Hintertreffen liegt. Die “Alte Dame Juve” und Atalanta Bergamo sehen totenblass aus.

Spanien

Spanien kämpft seit zwölf Jahren erfolglos gegen die Folgen der geplatzten Immobilienblase. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 13% – bei den jüngeren Jahrgängen gar bei 30%. Das Land von Barça und Real liegt mit 0 : 6 zurück.

Griechenland

Griechenland weist mit einer Verschuldung von gar 175% der Wirtschaftsleistung und trotz mehrerer Schuldenschnitte – die im wesentlichen nicht dem Land und seiner Bevölkerung zugute gekommen waren, sondern ausländischen Banken – immer noch die mit Abstand höchste Schuldenquote auf. Olympiakos Piräus & Panathinaikos Athen liegen als kleinere Vereine 0 : 5 zur Halbzeit hinten.

Hält die Corona-Pandemie länger an, können sich diese Länder nicht aus eigener Kraft aus der Krise befreien.

FAZIT:

Acht Jahre nach dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise droht erneut der Zusammenbruch der Europäischen Währungsunion. Mit ebenso unorthodoxen wie umstrittenen und rechtlich wohl unzulässigen Aktionen kleisterte Mario Draghi die Probleme erst einmal zu, ohne sie behoben zu haben.

Der Corona Virus hat den Draghi-Kleister zerbrochen.

Des Italieners EZB-Nachfolgerin, die Französin Christine Lagarde, sah sich gezwungen, Angriffe von Spekulanten auf die schwächsten Mitglieder der Währungsunion abwehren. Die Notenbank beschloss hektisch ein Pandemie-Notfall-Kaufprogramm (PEPP) in Höhe von Euro 750 Milliarden, nachdem die Renditen italienischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit innerhalb kürzester Zeit von unter 1% auf mehr als 3% nach oben schossen.

Zusammen mit dem bereits laufenden Anleihekaufprogramm weist die Zentralbank bis Ende 2020 ein Kaufvolumen von auf von Euro 100 Milliarden. Nein, nicht jährlich: allmonatlich!

Das alles geschah im Rahmen einer außerordentlichen Nachtsitzung der EZB.

Am 26. März ging es weiter:

Diesmal hob die Landsmännin von Asterix & Obelix auch noch die bislang geltenden Limits für das neue Ankaufprogramm auf. Bis dahin durfte die EZB nach ihren selbst gesteckten Grenzen maximal ein Drittel der ausstehenden Anleihen eines einzigen Landes kaufen. Diese Grenze zur einseitigen Staatsschuldenfinanzierung wanderte nun auch in die Abfalltonne.

Es war eine Panikaktion. Denn die EZB hielt schon bislang italienische Bonds im Wert von Euro 370 Milliarden in ihren Büchern. Das entspricht satten 18% des Gesamtvolumens sämtlicher italienischer Anleihen.

Natürlich, das alles dient nur dem Notfall. Das Spiel steht schliesslich erst aussichtsreich 0 : 8 und niemand zweifelt am letztendlichen 9 : 8 Sieg…

Bereits zuvor, am 23. März, setzten die EU-Finanzminister in ihrer Panik den Europäischen Stabilitätspakt komplett außer Kraft, zum ersten Mal in der Geschichte des Euros. Die EU-Limits für Staatsdefizite (3% vom Bruttoinlandsprodukt) und für die Gesamtverschuldung (60% vom BIP) gelten plötzlich nicht mehr. Dabei hatten jahrzehntelang die Europäer um diesen Pakt gerungen, um endlich ihre Währungsunion auf ein stabiles Fundament zu stellen. Dieses Fundament ist nun hochoffiziell zertrümmert worden und niemand stört sich mehr dran.

Der Corona Virus trifft die labilsten Mitglieder der Euro-Zone am heftigsten. Lassen wir die Frage im Raum stehen, ob das ein Zufall ist oder nicht.

Die Regierung in Rom versetzte Italien in eine Art künstliches Wachkoma. Ein Total-Stillstand fast der gesamten Ökonomie über Wochen, vielleicht Monate, “niedlich”, hätte Kojak gesagt.

Massive Konjunkturpakete zur Stützung der Wirtschaft wie in Deutschland über eine Gesamtsumme von Euro 1,2 Billionen können sich weder Spanien noch Italien leisten. Ob Deutschland das wirklich kann, sei mal dahingestellt.

Jedenfall beträgt die Staatsverschuldung Italiens – das ist nicht das kleine Griechenland sondern die drittgrößte Volkswirtschaft des Währungsgebiets – gigantische Euro 2,4 Billionen. Man muss begreifen:

das ist fast ¼ der gesamten Euro-Zonen-Verschuldung.

Selbst auf dem spanischen Staat – die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone – lastet noch eine Staatsschuld in Höhe seiner kompletten Wirtschaftsleistung.

Aus eigener Kraft werden es diese dritt- bzw. viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone nicht schaffen, das zu schultern:

„Bei hochverschuldeten Ländern könnte es zu einem Kollaps des Vertrauens kommen“,

warnt Ifo-Chef Clemens Fuest zutreffend; das gelte vor allem für das Land von Juventus Turin und Atalanta Bergamo. Und er warnt:

„Die Staaten des Euro-Raums einschließlich der EZB müssen klar signalisieren, dass alle Länder konsequent gestützt werden und Ausfälle bei Staatsschulden ausgeschlossen sind.“

Es seien

„drastische Maßnahmen erforderlich“.

Guntram Wolff, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts Bruegel, schlägt in die selbe Kerbe:

„Italien kann noch Schwierigkeiten an den Anleihemärkten bekommen.“

Die Euro-Zone müsse dringend

„gegensteuern, um spekulative Angriffe gegen südeuropäische Staaten zu vermeiden“.

Wer also soll das im Ergebnis schultern?

Die zweitstärkste Volkswirtschaft der Eurozone – Frankreich – trägt schliesslich auch keinen Schlüpfer mehr unter der Hose. Und die Scheichs von Paris Saint Germain haben gerade Borussia Dortmund aus der Champions League gekegelt und weisen damit den Weg zum Opferlamm Deutschland.

Man sagt natürlich jetzt nicht “Deutschland”. Das wäre dann doch zu undiplomatisch. Man sagt “Europa” und greift zum bewährten Ritual einer jeden europäischen Ouvertüre: Man streitet.

Wobei der permanente Streit deutlich macht, wie weit die Idee des “Vereinten Europa” längst auf dem Abfallhaufen der Geschichte gelandet ist.

  • Grenzen werden geschlossen, ohne Absprache.
  • Exportstopps für Schutzmasken und Sauerstoffgeräte werden verhängt, ohne die Betroffenen Länder auch nur zu informieren.
  • Der einheitliche Binnenmarkt existiert nicht mehr.

 

Ohne Abstimmung untereinander kommt ein ausschliesslich nationales Rettungspaket nach dem anderen. Auf 13% des Euro-Zonen-BIP beziffert die Euro-Gruppe die bisherigen Stützungsmaßnahmen und Garantien. Das sind mehr als Euro 1,5 Billionen. Wer die Rechnungen am Ende bezahlt? Nächste Frage bitte!

Schon jetzt aber lastet auf der Euro-Zone eine Staatsverschuldung von insgesamt mehr als Euro 10 Billionen.

Wie geht es also weiter?

Virusbedingt ist der Politikbetrieb in Brüssel in der vielleicht größten Krise der Nachkriegsgeschichte faktisch zum Stillstand gekommen.

Dass die Coronakrise den europäischen Zusammenhalt gefährdet, scheint auch den Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten inzwischen zu dämmern. Manchmal fällt der Groschen eben pfennigweise.

Am 24 März gab es eine Video-Konferenz der Euro-Finanzminister.

Man beriet sich darüber, wie man die ausufernden ökonomischen Corona-Schäden abmildern könnte.

Frankreich, Italien und Spanien fordern seit Tagen, dass die Euro-Zone einen Beitrag leisten müsse, da die einzelnen Staaten überfordert sein könnten. So forderte der spanische Notenbankchef Pablo Hernández de Cos weitreichende Stützungsaktionen der Euro-Partner, wobei er Zypern und Malta wohl eher nicht meinte.

Die Ausgabe von Euro-Bonds sei

„eine Möglichkeit, diese europäische Antwort zu geben. Wenn nicht jetzt, wann dann?“,

fragt der Notenbanker.

Deutschland hört das nicht gern, die Menschen in Deutschland wahrscheinlich noch weniger gern als die Regierenden in Berlin. Man konzentrierte sich auf die Frage, in welcher Form der europäische Rettungsschirm ESM im Kampf gegen die Krise eingesetzt wird.

Aber damit wird der Kampf nur auf ein anderes Spielfeld verlagert. Auf allen Spielfeldern geht es schlussenendlich immer um die Frage, wer die Zeche am Ende bezahlen soll.

Frankreich, Italien und Spanien und sechs weitere Länder dringen auf europäische

„Coronabonds“,

um damit ein großes EU-Hilfsprogramm gegen die Krise zu finanzieren.

Deutschland mauert – vermutlich ebenso erfolglos wie Borussia Dortmund im Rückspiel bei Paris Saint Germain. Deutschland schliesst schon jetzt diese Bonds für die Zukunft nicht komplett aus, ist also bereits fast umgekippt. Es sei “verfrüht für solche völlig neuen Programme”, heißt es in Berlin. Zunächst würden die vorhandenen Instrumente des Euro-Rettungsfonds völlig ausreichen, um die Krise zu bewältigen.

Klarer positionierte sich die sog. “Hanse Gruppe”, die sich nun von Deutschland im Stich gelassen fühlen muss. Die “Hanse Gruppe” wird angeführt von den Niederlanden. Der Gruppe gehören die skandinavischen und die baltischen Länder an. Sie lehnen europäische Corona-Anleihen strikt ab, weil sie darin einen Einstieg in die gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden in Europa sehen.

Faktisch kann man das auch gar nicht anders sehen.

Im Kampf gegen den ökonomischen Absturz bleibt also bislang jeder einzelne Euro-Staat auf sich gestellt, sieht man einmal von den Aktivitäten der EZB ab. Doch diese sieht sich mit ihrer durch Anleiheeinkäufe inzwischen auf Euro 5 Billionen Euro aufgeblähten Bilanzsumme zunehmend überlastet.

So ist es kein Wunder, dass Madame Lagarde den Finanzministern der Euro-Zone nahegelegt hat, doch ernsthaft die einmalige Ausgabe gemeinsamer „Corona-Anleihen“ zu erwägen.

Das ist nichts anderes als ein Hilfeschrei einer Person, die sich dem Untergang ausgesetzt sieht. Frau Lagarde weiß: Die Euro 410 Milliarden des Euro-Rettungsfonds hören sich grossartig an, sollten jedoch mit Italien und Spanien die dritt- und viertgrößten Euro-Staaten am Ende beim ESM um Hilfe bitten, könnten die Mittel schnell sich in heisse Luft auflösen.

Die EZB ist in einer derartigen Krise überfordert.

Zwischen den Euro-Partnern mangelt es schlicht an der Kraft und zwischenzeitlich auch am Willen zur Solidarität, um die Euro-Krise nachhaltig zu überwinden.

Juve und Atalanta Bergamo werden nicht mehr gewinnen, auch nicht Real Madrid und Barça, Olympiakos Piräus und Panathinaikos Athen hatte eh niemand einen Erfolg zugetraut.

Die deutsche Bundesliga wird irgendwann ihre Geisterspiele aufnehmen. Ihre Spieler werden aber nicht mehr in Euro bezahlt werden.

Mit einer Währung, die es nicht mehr gibt, kann man auch nichts bezahlen.

Ach ja:

Die Bürger wird das auch betreffen, aber die sind gerade in Quarantäne und schauen „Bundesliga Home Challenge“ – alles virtuell, völlig irreal.