Deutschsprachige Nachrichten aus Panamá
Lokale Wahlen in Panamá City
In der Hauptstadt sind hinsichtlich der Kommunalwahlen erst 65% der Wählerstimmen ausgezählt.
Es sieht so aus, als gewänne die Allianz für den Wandel auch die Wahl hinsichtlich des bedeutenden Amtes des Bürgermeisters von Panamá City (Alcalde).
Martinellis Kandidat Bosco Ricardo Vallarino führt mit 102.214 Stimmen vor dem PRD-Kandidaten Roberto “Bobby” Velásquez, auf den bislang 94.529 Stimmen entfallen. Der PRD Kandidat ist verstrickt in die "Murciagate" Affäre (siehe unten).
Sollte Bosco Ricardo Vallarino Alcalde werden, hat er es gleichwohl in seinen Gremien mit einer oppositionellen Mehrheit zu tun. Die Allianz gewann die Stadtteile Bella Vista, Chilibre, Chorrillo, 24 de Diciembre, Parque Lefevre, San Martín und Tocumen gingen an die Allianz. Die PRD obsiegte aber in Las Cumbres-Alcalde Díaz, Ancón, Betania, Calidonia, Curundú, Juan Díaz, Pacora, Pedregal, Pueblo Nuevo, Río Abajo, San Felipe, San Francisco und Santa Ana.
"Viel Feind, viel Ehr."
Wirtschaftswachstum bleibt Zielvorgabe Nummer 1
Der künftige Präsident Panamás, Ricardo Martinelli, machte klar, daß er trotz der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten Panamás Wirtschaft mit allen Mitteln auf Wachstumskurs halten werde. Er würde zu diesem Zweck folgende Instrumente einsetzen:
1.
Einführung einer einheitlich niedrigen Einkommensteuer (Flat Tax). Im Gegenzug werden Steuerbefreiungen wie die zugunsten von Banken und die Mehrzahl an Subventionen abgeschafft. Auch soll die Zahl von mehr als 50 verschiedenen Steuerarten auf weniger als 10 reduziert werden.
2.
Zwischen 2009 und 2014 wird es zu staatlichen Infrastrukturinvestitionen kommen im Wert von zusätzlich 6 Milliarden Dollar.
3.
Vorantreiben der Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit den USA.
4.
Neue Handelsabkommen mit den Nachbarländern, auch mit Europa und mit Ländern in Asien.
5.
Der Entwicklungsfonds "Fondo Fiduciario para el Desarrollo" (FFD) soll völlig neu definiert werden. Da würde im Ergebnis bislang nur nutzlos Geld von einem Topf in den anderen gesteckt, erklärte Finanzfachmann Frank De Lima des Teams Martinelli
6.
Zurverfügungstellung von Geldmitteln der Nationalbank, um die Wirtschaft Panamás mit hinreichend Kreditmitteln auszustatten. Hierbei würde eine vorübergehende stärkere Verschuldung in Kauf genommen werden, soweit das nötig werden sollte. Eine Neuverschuldung in Höhe von mehr als 1% in Höhe des Bruttoinlandsproduktes lehnte De Lima aber ab.
Eine der Infrastrukturmaßnahmen wäre der Bau einer Metro in der Hauptstadt, für den Kosten in Höhe von einer Milliarde Dollar kalkuliert werden, die aus dem laufenden Haushalt aufzubringen wären.
Viel Lob für die Wirtschaftspläne der neuen Regierung kommen von Juan Carlos Hidalgo, Koordinator der Lateinamerikaprojekte des weltweit hoch angesehenen "Cato Institute". Die kommenden 5 Jahre bedeuteten eine außergewöhnliche Chance für Panamá, herausragender Drehpunkt und Standort in Amerika zu werden über die schon erreichte Position hinaus. Die Einführung der Flat Tax sei die allerwichtigste Ankündigung der neuen Regierung. Panamá wird Vorreiter in Amerika werden für ein liberalisiertes Steuerrecht mit reduzierter Notwendigkeit, sich noch mit dem Problem von Steuerhinterziehungen beschäftigen zu müssen. Die Wettbewerbsfähigkeit Panamás werde stark steigen.
Glückwünsche an Martinelli
Glückwünsche erreichten den gewählten Präsidenten zu seinem Erfolg unter anderem aus den USA, Spanien, Costa Rica, Kolumbien. Aus den USA hieß es, in Panamá hätte der freie Markt gewonnen und nicht der Sozialismus. In Deutschland hat die Presse von dem Wahlereignis so gut wie keine Notiz genommen. In der Schweiz wurde hingegen normal berichtet.
Martinelli besuchte als erstes die staatliche Sozialversicherung "Caja de Seguro Social" und kritisierte deren Organisation, die sich an den langen Warteschlangen ablesen lasse. Es wird einen neuen Direktor geben, aber zunächst nur für einen Monat auf Probe. Erst wenn in diesem einen Monat die langen Warteschlangen weg seien, würde er auf Dauer den Posten bekommen. Darüberhinaus begutachtete Martinelli sehr kritisch die Arbeit des Landwirtschaftsministeriums.
In der PRD ist zwischenzeitlich heftiger Streit nach dem desaströsen Abschneiden der bisherigen Regierungspartei ausgebrochen. Den ersten Stein warf der Vizepräsidentschaftskandidat Juan Carlos Navarro, der selbst an Stelle von Balbina Herrera das Präsidentenamt angestrebt hatte und innerparteilich an Balbina gescheitert war. Er kritisierte die Führungsriege, die er für das größte Wahldebakel in der Geschichte der PRD schuldig sprach. Balbina Herrera strebt gleichwohl an, Oppositionsführer zu werden. Auf die Frage, warum sie den Wahlsieger nicht angerufen hätte um zu gratulieren, gab sie die erstaunliche Antwort: "Es ist immer der Wahlsieger, den die Verpflichtung trifft, zum Telefonhörer zu greifen." Der bisherige Amtsinhaber Martín Torrijos hatte das allerdings anders gesehen.
Die Amtszeit von Martín Torrijos
Es wäre unfair zu behaupten, die Politik von Präsident Martín Torrijos wäre so verheerend gewesen, daß es zwangsläufig zu diesem Erdrutschsieg des Oppositionskandidaten Ricardo Martinelli kommen mußte.
Von 2004 bis 2008 wuchs die Wirtschaft im Jahresschnitt um beachtliche 8,6%. Fast 12% hatte das Wirtschaftswachstum im Jahr 2007 betragen. Im Oktober 2006 erreichte Torrijos einen überragenden Sieg bei der Volksbefragung, ob der Panamákanal erweitert werden sollte oder nicht. Eine große Mehrheit stimmte zugunsten eines der größten Infrastrukturprojekte Lateinamerikas über 5,2 Milliarden Dollar. Die statistische Armutsrate im Land ging um 5% auf 28% zurück – trotz des hohen Anteils an indigener Bevölkerung im Land, die sich eigentlich statistisch insoweit gar nicht fassen läßt aufgrund völlig anderer Lebensgewohnheiten. Auch das Durchschnittseinkommen der Panamaer stieg an. Die Regierung war nicht erfolglos dabei, das Potential Panamás freizusetzen und ein Handels- und Finanzzentrum in der Region zu schaffen, eine Art lateinamerikanisches Singapur.
Es war mithin gewagt, "den Wechsel" zu proklamieren. Martinelli galt lange Zeit als eine merkwürdig schillernde Person in der Politik. Aber seine Korruptionsvorwürfe gegen die herrschende Politikerklasse kamen an: "Sie gehen mit leeren Händen in Regierungsämter und kommen reich wieder raus." Mit seinem durchaus populistischen Touch erschien Ricardo Martinelli lange Zeit als eine tropische Version eines Silvio Berlusconi. Es gibt diverse Gründe für den letztendlichen Erdrutschsieg des Oppositionskandidaten für den Wandel.
1.
Die Regierungspartei PRD war ein Opfer ihres Erfolges geworden. Juan Carlos Navarro unterlag in den parteiinternen Vorwahlen der PRD Kandidatin Balbina Herrera nach einem zermürbenden innerparteilichem Wahlkampf. Navarro machte aus seiner Abneigung sowohl gegen Torrijos wie gegen Balbina – die dem Kabinett Torrijos angehörte – kein Geheimnis. Die Partei blieb tief gespalten, obwohl letztendlich Navarro unter Balbina zum Vizepräsidenten kandidierte. Er wollte sich nicht verweigern und schielt auf die nächste Kandidatur im Jahr 2014; da darf und will aber auch Torrijos wieder antreten. Balbina wirkte im Ergebnis schwach, es kamen Ungereimtheiten dazu um fragwürdige öffentliche "Entschädigungszahlungen" an eine ihr gehörende Firma. Und viele sehen in Balbina eine enge ehemalige Vertraute des Exdiktators Noriega.
2.
Obgleich Panamá eine vergleichsweise geringe Kriminalitätsrate hat, stieg die Zahl der Tötungsdelikte im Jahr 2008 um 47%. 2005 kamen auf 100.000 Einwohner 11 Tötungsdelikte, 2008 waren das dann 19 Morde oder Totschläge. 47% der bislang insoweit verwöhnten Panamaer betrachteten die steigende Kriminalität als Hauptproblem des Landes, das nächste genannte "Hauptproblem", nannten nur halb so viele Panamaer. "Kriminalität" war ein Hauptargumentationsfeld Martinellis. Er würde gegen Kriminalität mit "harter Hand" vorgehen
3.
Über viele Jahre wurde panamaische Politik definiert als ein undurchsichtiges Zusammenwirken von Cliquen zwischen politischer und wirtschaftlicher Elite, wobei die politische Elite nur aus zwei Parteien sich rekrutierte, aus der PRD und der Partei der Panameñistas oder Arnulfistas, wie sie auch genannt werden. Weltanschauliche Unterschiede zwischen den Parteien gab es praktisch keine. Korruptionsskandale machten vor dem Hintergrund dieser Gemengenlage immer wieder Schlagzeilen. Allzu viele Politiker waren noch aus Noriegas Zeiten recht nah am Geschehen des Drogenhandels, immer wieder flogen in diesem Zusammenhang Geldwäschegeschäfte auf und beschädigten das Ansehen Panamás als seriöses Finanzzentrum. Diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren vieles gebessert, nicht aber das Ansehen der überkommenen Politikerkaste. Da hob sich der Neuling Martinelli ab. Gewiß, auch er gehört zur wirtschaftlichen Elite. Aber er schuf glaubhaft eine neuartige politische Allianz, auch wenn dieser die Arnulfisten nun angehören. Man traut Martinelli zu, gerade auf der Grundlage seines eigenen Reichtums und damit seiner völligen wirtschaftlichen Unabhängigkeit den Augiasstall endgültig zu säubern.
4.
Ein Finanzskandal überschattete den Wahlkampf der PRD. Der Kolumbianer David Murcia Guzmán hatte in verschiedenen Ländern Lateinamerikas ein betrügerisches Pyramidensystem (finanzielles Schneeballsystem) aufgebaut und insbesondere in Kolumbien viele Menschen um ihr Geld gebracht. Um sich in Panamá zu schützen, wo er zwischenzeitlich sich aufhielt, hat er anscheinend hohe Millionenbeträge als "Schutzgeld" in vermeitlich einflußreiche Politiker der Regierungspartei "investiert", er war am Machterhalt der PRD offensichtlich sehr interessiert. Was da nun dran ist, bleibt offen. Aber das traf eine Partei, die schon 1994 vom kolumbianischen Drogenkartell Gelder erhalten hatte im Wahlkampf des ehemaligen Präsidenten Ernesto Pérez Balladares.
5.
Vor diesem Hintergrund war die Kampagne für einen "wahrhaftigen Wandel" ein Volltreffer Martinellis. Gestützt wurde der Erfolg von einer Welle von Preissteigerungen im Dollarland Panamá, obgleich an diesem weltweiten Phänomen die Regierung weitgehend machtlos war; der einfache Mann auf der Straße sah das anders. Martinelli nutzte all diese Umstände im Wahlkampf, für den er angeblich USD 35 Millionen investierte, teilweise auch aus eigener Tasche. Bei etwas mehr als nur 2 Millionen Wählern ist das viel Geld. Im Gegensatz zu Martinelli hatte die Gegenkandidatin der PRD kaum Unterstützung finanzieller Art aus der Wirtschaft – woran sie andererseits nicht schuldlos war.
Die Herausforderung, vor der die Regierung Martinelli steht, ist ungleich größer als seinerzeit die der Regierung Torrijos. Der noch amtierende Präsident konnte auf der Grundlage einer boomenden Weltwirtschaft agieren, das sieht nun völlig anders aus. Das laufende Jahr wie auch 2010 werden schwierig. Es tröstet in Panamá nur wenig, daß man keine wirtschaftlichen Rückgang hat wie die großen Länder der Welt, und man auch in Lateinamerika Primus bleibt. 3% Wirtschaftswachstum ist halt deutlich weniger als zuletzt knapp 10%. Es passieren weniger Schiffe den Kanal, der Umsatz in den beiden großen Häfen an beiden Ozeanen geht deutlich zurück. 19% des Bruttoinlandsproduktes Panamás erwirtschaftet der Kanal, der gleichzeitig 28% der Steuereinnahmen des Landes sicherte. Panamá ist wie Singapur entscheidend weltwirtschaftlich verankert, was zumeist – leider nicht immer – von Vorteil ist.
Weiter käpft Panamá mit der Schwäche seiner Institutionen: Viel Bürokratie, wenig Verstand. Die politischen Institutionen haben mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung Panamás nicht Schritt halten können. Gleichwohl ist Panamá auch jetzt schon eines der solidesten Länder der Region. Zwei Jahrzehnte stabile Demokratie liegen nun hinter der Zeit der Militärdiktatur.
Der "wahrhafte Wandel", hoffentlich wirklich einhergehend mit dem Einzug einer neuen Politkergeneration in die Amtsstuben, sollte die Demokratie Panamás weiter stärken. Dafür spricht, daß auch die unterlegenen Politiker den Machtwechsel akzeptieren und Amtsinhaber Torrijos ab sofort für einen reibungslosen Übergang der Regierungsgeschäfte Sorge tragen will.